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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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Zeit zu Zeit konnte er das scharfe Schnauzen einer Meldung über Tannoy-Lautsprecher hören. Rastlos änderte die Covington immer wieder den Kurs, bog ein, zwei Striche östlich vom Konvoi ab, um im nächsten Moment wieder nach West zu schwenken. Dies geschah, vermutete De Haan, aufgrund des ASDIC, eines Sonarsystems, das nach den Echos von U-Booten unter dem Wasser suchte. Mit vierunddreißig Knoten im Vergleich zu ihren eigenen acht war sie einem Border-Collie nicht unähnlich, so wie sie vor und zurück patrouillierte, um ihre vier fetten Schafe zu hüten.
    De Haan war an diesem Morgen ganz besonders auf den Motor der Noordendam eingestimmt, seinen Geräuschpegel, seine Vibrationen im Deck unter seinen Füßen. Jetzt hatte sie selbst mit den von der uralten Triton vorgegebenen acht Knoten ihre liebe Mühe. Denn sie war eindeutig überladen – die Frachträume bis zum Lukendeckel mit Bomben und Minen voll gestopft, die vier Panzer und die Hurricane-Jäger auf dem Vorderdeck, auf deren Tragflächen der Wind seltsam gespenstisch seufzte.
    Auf einmal wurde der Motor langsamer. Für Sekunden erstarrte De Haan, dann rannte er den Niedergang zur Brücke hoch, wo Kees bereits ins Sprachrohr brüllte. »Was macht ihr da?«, fragte De Haan, nachdem er ihm das Rohr abgenommen hatte. Bevor Kovacz antworten konnte, hörte De Haan, wie er sagte, »… erledigen, so schnell wir können.« Er wartete nicht ab, bis er mehr erfuhr, sondern gab Kees das Gerät zurück und hastete zum Maschinenraum vier Decks darunter.
    Er glitt das Geländer des Niedergangs hinab, fing die Blicke einiger Crewmitglieder auf und erreichte schließlich den Treppenabsatz aus Eisengitter, der zum letzten Niedergang in den neun Meter tiefer gelegenen Maschinenraum führte. Von da aus spähte er in den von den Lampen rötlich eingefärbten Schleier aus Rauch und Dampf. Ein Wald aus Rohren, drei gigantischen Kesseln, Hilfsmotoren, Kondensatoren, Generatoren, Pumpen und den riesigen Messingkolben, die sich jetzt nur noch langsam hoben und senkten – der Motor selbst. Hier unten tat einem das Atmen weh, es gab keine Luft, nur Dunstschwaden aus Dampf, versengten Lappen, brennendem Treibstoff, erhitztem Eisen. Heiß wie in der Hölle und lauter als irgendwo sonst auf dem Schiff, denn der Motorenlärm füllte die ganze riesige Stahlkammer aus und hallte vom Rumpf zurück.
    Sowie sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er die Heizer und Schmierer um den Kessel Nummer drei versammelt, mit Kovacz in der Mitte, einen ein Meter zwanzig langen Schraubenschlüssel in der Hand. De Haan beobachtete, wie er das Werkzeug an ein dickes Rohr ansetzte, ein Heizer neben ihm den Griff packte und sie sich zusammen abmühten, das Rohr von einem Kniestück loszubekommen. De Haan rannte die Leiter hinunter.
    Kovacz' Drillichhemd war schwarz vom Schweiß, und die gesamte Innenseite seines Unterarms entlang war eine Brandwunde zu erkennen. Um sich Gehör zu verschaffen, musste De Haan brüllen, »Stas, wie schlimm ist es?«
    Kovacz wies mit einer Kopfbewegung auf das Rohr und sagte, »Hat 'ne Muffe gesprengt, deshalb ist Nummer drei abgeschaltet.« Aus einem Riss im Kniestück schoss eine Dampfsäule drei Meter in die Höhe.
    »Sind acht Knoten zu schaffen?«
    »Besser nicht – würde uns bei den anderen beiden teuer zu stehen kommen.«
    »Wie lange, Stas?«
    Kovacz sparte sich die Antwort. Mit einem nassen Lappen, der zu dampfen begann, als er das Rad am Kopfstück des Schraubenschlüssels packte, versuchte er, das Rohr fester zu fassen, bevor er den Griff in beide Hände nahm. »Bei drei«, sagte er zu dem Heizer, zählte und gab vor Anstrengung einen knurrenden Laut von sich, als er sein ganzes Gewicht nach unten drückte. Einen Moment lang hoben seine Füße vom Boden ab. » Psia krew «, sagte er auf Polnisch. Hundeblut.
    Ein Schmierer erschien mit einem großen Stahlhammer und sah Kovacz mit einem fragenden Blick an. »Ja, versuch's mal damit.« Der Schmierer schwang den Hammer zurück, hielt inne und schlug ihn mit aller Wucht auf die Muffe, um den Rost im Gewinde aufzubrechen. Kovacz und der Heizer unternahmen einen zweiten Versuch, doch das Rohr gab nicht nach. Kovacz ließ den Schraubenschlüssel an Ort und Stelle, legte die Hände auf die Knie und senkte den Kopf. »Na schön«, sagte er und war nur so eben in dem Lärm zu hören, »hol mir einer die gottverdammte Säge.« Er richtete sich wieder auf, wischte sich ein bisschen Schweiß aus dem

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