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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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ein Ultrakurzwellensystem mit einer Reichweite von nur hundert Meilen, und mit unseren gegenwärtigen Stationen nicht abgehört werden können. Jedenfalls wäre es selbst nachts für ein eindringendes Flugzeug schwierig. Ziemlich große Radaranlagen in der Region da oben. Was wir also brauchen, ist das rostige alte Trampschiff, das rostige alte neutrale Trampschiff, das hilflos und schwerfällig die sieben Meere bereist, um seinem Eigentümer ein paar Peseten einzubringen.«
    De Haan schwieg für einen Moment und sagte dann: »In Ordnung, die Ostsee also. Vergleichsweise kein großes Meer, aber sie grenzt an eine Menge Länder.«
    »Allerdings, und allesamt problematisch im Moment.«
    Ja, dachte De Haan, hätte es nicht besser ausdrücken können. Die UdSSR und Finnland, ein deutscher Verbündeter, der eben in einem Krieg mit den Russen unterlegen war, die ihrerseits ein Jahr zuvor Litauen, Lettland und Estland besetzt hatten, dann das neutrale Schweden, das besetzte Dänemark und Deutschland selbst. Problematisch, in der Tat.
    »Aber man tut heutzutage gut daran«, fuhr Hallowes fort, »keine Koordinaten preiszugeben. Ich an Ihrer Stelle würde in etwa einer Woche mit dem Kurier rechnen, dann wissen Sie es genau. Möglicherweise werden Sie überrascht sein.«
    Und weit genug weg, dass Sie, falls ich schreie, mich nicht hören können.
    Der Bedienstete kam mit den Getränken, und Hallowes fragte, »Sie bleiben zum Essen?«
    » Espada nennen sie das.«
    De Haan nahm sich eine zweite Portion – einen süßen Fisch mit weißem Fleisch. »Das Beste, was ich seit langem gegessen habe«, sagte er. »Obwohl, wenn es frisch gefangen ist, eigentlich alles aus dem Mittelmeer schmeckt.«
    »Ja, das ist wohl wahr. Mögen Sie Seebrassen?«
    »Kann schon mal recht kräftig ausfallen.«
    »Höflich ausgedrückt, Captain. Eine Freundin von mir nennt es ›Neptuns schreckliches Geheimnis‹.«
    »Na ja, nach einigen Monaten Hering aus der Dose …«
    So ging es weiter, vom Hölzchen aufs Stöckchen, Tischgeplänkel, bis sie das zweite Glas Wein ausgetrunken hatten und sich an das dritte begaben und De Haan bemerkte: »Als ich in Alexandria war, genauer gesagt, bei Ihrem dort zuständigen Mann, bin ich zufällig einer Frau begegnet.« Er schwieg und wartete auf Hallowes' Reaktion.
    Dessen »Ja?« – als es endlich kam – ein wenig abgehackt klang.
    »Aha, nicht jemand, den Sie kennen, nehme ich an. Oder über den Sie etwas wissen.«
    Hallowes war erleichtert, es ging um Spionage und nicht … nicht, weiß Gott was sonst. »Nein, Captain, nicht unser Stil, aber vielleicht gar nicht mal eine schlechte Idee, in diesen Zeiten.«
    »Na ja, mir kam der Gedanke.«
    »Keine Deutsche, oder? Russin? Ungarin?«
    »Eine Einheimische, glaube ich.«
    »Mhm. Trotzdem …«
    Die Fähre war noch nicht eingetroffen, als De Haan nach Algeciras zurückgefahren wurde, und so setzte Hallowes' Fahrer ihn am Reina Cristina ab, dem guten Hotel der Stadt, wo er in der Bar warten konnte. De Haan wäre gern herumgelaufen, doch der berüchtigte andalusische Wind wirbelte den Staub durch die Straßen, und die Stadt war ärmlich und grimmig und irgendwie beklemmend, und so blieb er, nachdem der Barkeeper versprochen hatte, ihm Bescheid zu geben, wenn die Fähre in den Hafen einlief, einfach sitzen, bestellte ein Bier und zündete sich eine North State an.
    Es war dumm gewesen, Hallowes nach Demetria zu fragen, wurde ihm jetzt klar, und zwar aus zweierlei Gründen. Erstens hätte Hallowes ohne weiteres lügen können, hatte womöglich gelogen, und zweitens hatte er sie ohnehin verloren, egal, wer sie war oder was für ein Gefühl er hatte. Dennoch hätte er es gerne gewusst, da ihn die Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, erregt hatte und er Lust auf mehr verspürte.
    Doch sie gehörte bereits der Vergangenheit an. Als sie ihm in Sphakia sagten, dass er mit einem Konvoi nach Tanger und nicht nach Alexandria zurückkehren würde, hatte er begriffen, dass er sie nie wiedersehen würde. Er hätte eine Möglichkeit finden können, ihr einen Brief zukommen zu lassen, wenn er es geschickt angestellt und acht Wochen Zeit dafür gehabt hätte, doch was hätte er ihr sagen können? Buche eine Schiffspassage auf einem lokalen Zerstörer und komm nach Tanger herüber? Nein, ihr Frühstückskaffee in dem Zimmer im Hotel Cecil, wo sie sich schließlich eingestehen mussten, dass sie sich so viel geliebt hatten, wie sie eben konnten, war eine Henkersmahlzeit

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