Die Stunde des Wolfs
gibt demnach nicht viel, was man nicht verkaufen kann, aber versuchen Sie mal, es zu verschiffen. Und wenn man es schafft, erwischt es irgendein Torpedo oder eine Bombe, oder es trifft auf eine Mine oder verschwindet ganz einfach. Frieden war ein entschieden besseres Arrangement, für mich jedenfalls. Aber durchaus nicht für jeden, kann ich Ihnen sagen. In der Schweiz verdienen sie sich eine goldene Nase, die gierigen Halunken, weil sie für Deutschland kaufen.«
»Und Sie verschiffen nichts nach Deutschland selbst.«
»Hätte ich im Leben nicht getan, das können Sie mir glauben. Aber jetzt tu ich es zuweilen. Nie direkt, immer an ein Drittland, ein neutrales, aber das ist ein offenes Geheimnis, egal, was im Ladungsverzeichnis steht. Ich tu's, weil unsere gebieterischen Freunde es mir befohlen haben, um den neutralen Schein zu wahren. Es macht mich krank, aber wen kümmert das schon?«
»Da haben unsere Freunde vielleicht nicht ganz Unrecht, wissen Sie«, sagte De Haan.
»Vielleicht nicht, aber, als ob das nicht genug wäre, kämpfe ich mit einem Mal für die Briten! Gott segne sie für ihre Tapferkeit, aber ich hab mich verpflichtet, für Holland zu kämpfen.«
»Das gilt für uns beide.«
»Und jetzt haben wir beide die Bescherung.«
»Da haben Sie Recht. Und sie haben uns nicht gefragt. Was ist aus Leiden geworden?«
»Kaltgestellt, nehme ich an. ›Es ist Krieg, mein Sohn.‹« Hoek breitete die Hände aus – so ist der Gang der Welt. »Kurz gesagt, sie verfügen über mein Leben, und das anderer, die sich gemeldet haben, auch wenn ich denen das nicht sagen kann.«
»Trotzdem ist es Ihnen gelungen, Leute zu rekrutieren.«
»Ich hab's zumindest versucht. Allzu oft hab ich mich bei den Landsleuten, die hier leben, zum dummen August gemacht. Und ihre Gemeinde ist klein, es herrscht geistige Inzucht und Klatsch und Tratsch. Ich pirsche mich immer sehr vorsichtig an, doch am Ende muss man die entscheidende Frage stellen, und manche von ihnen sind entsetzt. ›Behalten Sie es für sich‹, sage ich ihnen dann, aber das tun sie nicht, zumindest nicht lange.«
»Aber ein paar sind doch sicher …«
»Ja, ein paar schon. Bis vor zwei Wochen hatte ich neun, jetzt sind es nur noch acht. Ein dummer alter Dussel, mit dem ich Schach gespielt habe, hat sich auf der Straße von einem Lastwagen überfahren lassen. Entweder war er wie gewöhnlich betrunken, oder er wurde ermordet – wie soll ich das wissen? Ich bin Amateur, De Haan, und das hier ist kein Beruf für Amateure. Wie lange dieser Krieg noch dauert, kann ich nicht sagen, aber ich bezweifle, dass ich das Ende noch erlebe.«
»Ich denke, das werden Sie, Mijnheer Hoek, Sie sind ein sehr einfallsreicher Mann. Weshalb Sie überhaupt erst gebeten wurden einzusteigen.«
»Ich hatte mich zumindest bisher dafür gehalten, jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Auch wenn wir einige Fortschritte gemacht haben. Was wir vor allem Wilhelm verdanken, die großartig ist, und drei anderen Frauen, zwei holländischen Hausfrauen und einer kanadischen Krankenschwester, allesamt ohne Furcht und Tadel.«
»Worin besteht denn deren Aufgabe – falls Sie mir das sagen dürfen.«
»Wieso nicht? Wir Spione können wenigstens miteinander reden, stimmt's? Hier sind wir im Immobiliengeschäft tätig – Villen, in Küstenlage. Wir versuchen, mit den Eigentümern Kontakt aufzunehmen, mit den Maklern, den Bediensteten, sogar den Klempnern. Wer auch immer etwas darüber wissen könnte, was mit den Mietern ist. Die manchmal deutsche Geheimagenten sind und die Villen dazu nutzen, die Meerenge im Auge zu behalten. Sie haben alle möglichen Höllenmaschinen in diesen Häusern, elektronische, was weiß ich, Teleskope mit Nachtsichtfunktion. Der Trick besteht darin, reinzukommen und sich umzusehen, doch das ist sehr schwierig. Das sind keine netten Leute, und sie sind misstrauisch – Mevrouw Doom, die Zahnarztfrau, hat an eine Tür geklopft, um nach dem Weg zu fragen, und wurde von einem Wachhund gebissen. Trotzdem müssen sie ja mal raus, schließlich können sie nicht ewig im Haus hocken, und wenn sie gehen, observieren wir sie. Ein paar von ihnen tragen spanische Uniform, und sie haben spanische Freunde. Eins hab ich jedenfalls gelernt, nämlich dass der gute alte Franco nicht so neutral ist, wie er sich so gern den Anschein gibt.«
»Und wenn Sie dann etwas in Erfahrung gebracht haben?«
»Dann telegrafieren wir es unseren Freunden, der Rest liegt bei ihnen. Letzten
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