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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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Zahlen- und Buchstabenreihen über und unter einer knappen, knochentrockenen Botschaft ähnelte er stark der früheren Nachricht und ließ keinen Zweifel daran, dass es sich dabei um eine Order handelte, die keinen Raum für Diskussionen oder andere Meinungen ließ. »Die scheinen Sie in Spanien zu brauchen«, sagte Wilhelm in ihrem Studio.
    Eiskalt, aber immerhin effizient. Ein unauffälliger Citroën holte ihn auf der Plaza de la Victoria – Francos Sieg in diesem Jahr – am Ufer ab und fuhr mit ihm auf einem staubigen, weißen Weg, der ziemlich genau für einen Wagen Platz bot, aus der Stadt, an Weiden mit roten Langhornrindern vorbei, dann durch einen endlosen Korkeichenwald. Schließlich jemandes estancia , die Leute vom Marine-Geheimdienst lebten offenbar nicht schlecht oder hatten Freunde, die nicht schlecht lebten, in diesem Fall Letzteres, wie sich zeigte.
    Ein Diener in weißem Jackett erwartete sie an der Tür eines weitläufigen, edwardianischen Hauses – mit seinem Wald an Schornsteinen eine imposante, unverkennbar englische Präsenz in der andalusischen Landschaft – und führte ihn durch eine herrschaftliche Eingangshalle, wo De Haan vergeblich nach der obligatorischen Ritterrüstung Ausschau hielt, durch eine Bibliothek und einen roten Plüschsalon in einen gefliesten Wintergarten, der an einen Park mit Sträuchern und Blumenrabatten grenzte – so üppig, dass ihn bei diesem trockenen Klima nur ein ganzes Heer von Gärtnern am Leben erhalten konnte. Das ganze Anwesen schien vom guerra civil vollkommen unberührt zu sein, was beträchtliches politisches Fingerspitzengefühl auf Seiten seiner Besitzer verlangte, die inmitten von Krieg und Chaos zunächst mit den Republikanern und ihren Kommunisten, dann mit den Nationalisten und ihren Faschisten zu Rande kommen mussten. Und kein Ziegel verrutscht.
    »Kommandant Hallowes«, sagte ein hoch gewachsener Mann, der sich erhob und ihm entgegenkam, indes der Bedienstete entschwand. »Es freut mich, dass Sie kommen konnten.«
    Er hatte ein glattes, jungenhaftes Gesicht und vorzeitig ergrautes Haar, trug einen kaffeebraunen Leinenanzug mit gestreifter Krawatte, die wahrscheinlich auf irgendeine Mitgliedschaft verwies, und De Haan hegte den starken Verdacht, dass noch mehr zu dem Namen gehörte, ein Titel, Ehrentitel oder dergleichen – so selbstverständlich, dass er keiner Erwähnung bedurfte. Er stand lässig und entspannt vor einer Wand mit Kakteen in glasierten Töpfen, wies auf zwei Rohrstühle und sagte: »Wollen wir uns hierher setzen?« Neben De Haans Stuhl befand sich ein Tisch, wo ihn eine Erfrischung nebst einer Schale Mandeln erwartete.
    »Ich komme gerade aus Gibraltar«, sagte Hallowes, während sie Platz nahmen. »Ich hätte Sie dorthin gebeten, aber es ist nicht ratsam, sich drüben zu treffen, da jeder, der das Festland betritt oder verlässt, genau beobachtet wird – von den Spaniern ganz offen, von den Deutschen heimlich, wie sie glauben, deshalb gestatten mir meine Freunde, dieses Haus zu benutzen.«
    »Man könnte es schlechter treffen«, sagte De Haan.
    »Ja, gewiss.«
    De Haan nahm einen Schluck von seinem Drink – eine Art goldener Aperitif, der nach Kräutern und einem Geheimrezept schmeckte, undefinierbar, aber köstlich.
    »Nun«, sagte Hallowes. »Haben sie Ihnen auf Kreta die Hölle heiß gemacht?«
    »Nicht allzu schlimm. Ein Schaden am Rumpf, sämtliches Glas zerbrochen, aber nichts, was sich nicht reparieren ließe. Einen unserer Vollmatrosen hat's umgehauen, zwei sind beim Anblick der Fracht in Alexandria desertiert, und unser Küchengehilfe wurde beim Angriff erschossen.«
    »Die Moral gut, trotz alledem?«
    »Ja, trotz alledem.«
    »Also zu neuen Schandtaten bereit.«
    »Ich würde sagen, ja. Ist es vorbei, mit Kreta?«
    »Ja, vorbei. Wir haben, so weit wir konnten, alle evakuiert, aber sie haben über zehntausend Gefangene gemacht. Andererseits haben sie siebentausend Mann verloren, es ist sie also ziemlich teuer zu stehen gekommen. Sie sind das Risiko eingegangen, weil sie fürchteten, wir würden die Luftstützpunkte benutzen, um die rumänischen Ölfelder anzugreifen, und sie haben bekommen, was sie wollten, wenn auch zu diesem hohen Preis. Wir hoffen, dass sie danach nicht dasselbe auf Malta versuchen, weil wir das unter allen Umständen halten müssen – wenn wir ihre Nachschublinien nicht unterbrechen können, werden wir das in Nordafrika ausbaden müssen.«
    Draußen hatte ein Gärtner mit Strohhut

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