Die Stunde des Wolfs
die Reise gehen sollte.
Im Hafenbüro, das sich in einem Gewirr von Piers und Trockendocks verbarg, war Yacoubs Anzug grau, sein Lächeln ermutigend, sein Englisch gut, sein Französisch besser. Er sah auf die Uhr und hoffte, es würde De Haan nichts ausmachen, in dem kleinen Basar ganz in der Nähe der Küstenstraße auf ihn zu warten, sagen wir, zwanzig Minuten? Nicht zu lang? Es täte ihm so Leid, aber er müsse unbedingt noch eine Arbeit zu Ende bringen.
Ein kleiner Basar, aber voll, Stände dicht an dicht in einer schmalen Gasse, wo ein dünnes, schwarzes Rinnsal eine Gosse im Pflaster hinunterlief und der Geruch von verwesender Ziegenhaut und verfaulten Früchten fast mit Händen zu greifen war. Ein guter Ort, dachte De Haan, für den alten Fliegenwedel, mit dem er sich übers Gesicht fächelte, und ein guter Ort, um sich die altehrwürdigen Klischees über die Augen verschleierter Frauen ins Gedächtnis zu rufen. Er kaufte eine Orange und genoss ihr Fruchtfleisch kaum mehr als den hiesigen Brauch, die Schalen auf die Straße zu werfen. Als er sie aufgegessen und das Wasserrohr gefunden hatte, unter dem er sich die Hände waschen konnte, löste sich Yacoub aus der Menge.
Er führte De Haan von Stand zu Stand, von Kamelsattel zu Kupfergefäß, als sei er Fremdenführer und De Haan Tourist. Sie hielten sich eine Minute mit dem Wetter auf, dann fragte De Haan nach der Besatzung, die er anheuern wollte. Yacoub machte ihm keine großen Hoffnungen. »Sie sind wie vom Erdboden verschluckt, Sir. Der Krieg hat sie mitgenommen.«
»Und das Heuerbüro?«
»Sie können hingehen und sich selbst überzeugen.« Was er dort nach Aussage von Yacoub zu sehen bekäme, waren ein paar Mörder und Diebe und ein einbeiniger, einäugiger Trinker – »früher einmal libanesischer Pirat, wie manche sagen« –, falls er nicht schon davongesegelt sei.
Das war alles reichlich ausgeschmückt, doch De Haan verstand. »Ein paar muss esdoch geben«, sagte er. »Nicht gerade Mörder und Diebe. Krieg hin, Krieg her, Männer gehen immer noch von Bord.«
»Nicht viele heutzutage. Und dann fahren sie oft genug nicht wieder zur See. Das hier ist immerhin Tanger; hier kann man sich vor dem Krieg verstecken, eine Frau finden, auf die eine oder andere Art ein bisschen Geld verdienen. Seeleute sind, wie Sie wissen, für vieles zu gebrauchen – in einer Stadt, die nicht fragt, was man von Haus aus ist.«
»Aber bestimmt bleiben nicht alle an Land.«
»Nie alle. Aber von denen, die wieder abfahren, wollen noch weniger das Schiff wechseln, und sie sind nicht lange da. Am schwarzen Brett im Heuerbüro wimmelt es nur so von Angeboten, Herr Kapitän, von oben bis unten.«
De Haan weigerte sich, auf einen abgewetzten Gebetsteppich einen Preis zu bieten. Der Kaufmann sah gen Himmel und ging mit dem Preis herunter, doch Yacoub zischte ihm ein paar Worte zu, und der Mann zog ab.
»Ich werde meine Freunde fragen«, sagte Yacoub. »Meine Freunde, die sich auskennen, aber vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit. In Tanger finden Sie alle möglichen Tavernen, die berühmte Chez Rudi zum Beispiel, und einige andere, ein paar davon gefährlich. Aber da gibt es eine in einer kleinen Straße in der Medina, der Rue el-Jdid, die als l'Ange Bleu, der Blaue Engel, bekannt ist, auch wenn sie kein Schild an der Tür hat. Manchmal gehen Seeleute dorthin, um nach alten Freunden zu suchen, wenn sie deren Schiff im Hafen sehen, und manchmal gehen sie auch hin, um nach einer neuen Heuer zu suchen. Im Stillen. Und falls der Kapitän eines Schiffs gutes Geld bieten würde, heißt es, wäre der Mann vielleicht nicht abgeneigt. Und falls er selber kein Interesse hat, erzählt er es seinen Freunden.«
Sie verließen den schummrigen Basar und kamen auf die Corniche. Ein schöner Junimorgen, der Wind sanft und verheißungsvoll, zahllose Menschen zum Flanieren auf den Straßen. Für diesen Moment jedenfalls hatte die romantische Seele es richtig getroffen, die Tanger als ›die weiße Taube auf der Schulter Afrikas‹ bezeichnet hatte. Und Yacoub erging sich, vom prächtigen Wetter beflügelt, in Auslassungen über den hiesigen Klatsch und Tratsch – reiche Engländer und Amerikaner, Liebhaber, die sich in die Liebhaber ihrer Geliebten verliebten, Dichter und Verrückte, Intrigen am Sultanshof. Und von Ränke schmiedenden Paschas, die in ihrem Streben nach Macht mit Ausländern konspirierten.
»Immer Ausländer«, sagte Yacoub. »Vielleicht verdienen wir
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