Die Stunde des Wolfs
sind überall, in den Häfen. Nur um sich über die Schifffahrt auf dem Laufenden zu halten, sagen sie.«
»Mit anderen Worten, Spione.«
»Ja. Was meinen Sie? Ich neige dazu, gar nichts zu tun.«
Hoek überlegte und sagte schließlich: »Ich würde mich mit ihr treffen.«
»Tatsächlich?«
»Um herauszubekommen, worum es geht, ja. Falls sie hinter einer Bestätigung für irgendeine Sache her ist, muss sie Sie fragen – vielleicht von hinten durch die Brust ins Auge, aber sie wird fragen.«
»Na ja«, sagte De Haan. Wieso sich unnötig Ärger machen?
»Keine Antwort ist auch eine Antwort, wissen Sie.«
De Haan nickte unwillig.
»Es liegt bei Ihnen«, sagte Hoek, »aber könnten Sie wohl, falls Sie sich mit ihr treffen, Yacoub eine kurze Mitteilung für mich mitgeben?«
De Haan sagte ja.
»Hat er Ihnen helfen können?«
»Er hat mich an eine Kaschemme verwiesen – l'Ange Bleu. Vielleicht versuch ich's da mal.«
»Kann zumindest nicht schaden«, sagte Hoek. Aus dem Vorzimmer war ein Fernschreiber zu hören, der mit einem Klingeln am Ende jeder Zeile eine lange Nachricht tippte. »Dann werden Sie also«, sagte Hoek, »sofort in See stechen?«
»In ein paar Tagen, es sei denn, man hat es abgeblasen.«
»Hat man nicht.«
De Haan stand auf und sagte: »Ich laufe dann wohl besser zum Hotel rüber. So lange sie noch Zimmer frei haben.«
»Es ist ein großes Hotel«, sagte Hoek. »Natürlich kann es sein«, fügte er hinzu und hielt einen Moment inne, »dass wir uns nie wiedersehen.«
De Haan ließ sich mit der Antwort Zeit. »Für eine ganze Weile nicht.«
»Ja, für eine ganze Weile nicht.«
»Vielleicht komm ich, wenn der Krieg vorbei ist, noch mal her. Wir essen zusammen«, sagte De Haan. »Mit Champagner.«
»Ja, eine Siegesfeier.«
»Wollen wir hoffen.«
»Oh, ich gehe davon aus, dass wir gewinnen, früher oder später.«
»Bis dahin gibt's viel zu tun.«
Von Hoek ein viel sagendes Achselzucken und ein entsprechendes Lächeln.
Dann sagten sie auf Wiedersehen.
Um drei Uhr nachmittags nahm sich De Haan ein Zimmer im Grand Hôtel Villa de France. Es war, wie Hoek gesagt hatte, eine grellbunte alte Hure – grünes Marmorfoyer, Mobiliar mit leuchtend rosa Bezügen, vergoldete Wandstrahler neben Gemälden von Wüstenkarawanen. Zugleich aber war es, zu seiner Überraschung, eine stille alte Hure. In der weitläufigen Lobby entdeckte er nur einen einzigen Gast, einen Araber im traditionellen Burnus, der mit seiner Zeitung raschelte. Auch über dem Innenhof lag, als De Haan sein Zimmer betrat und die Balkontür öffnete, diese eigentümliche Stille des typischen Provinzhotels am Nachmittag, unterbrochen nur vom Zwitschern der Spatzen.
De Haan drückte dem Pagen, der seine kleine Segeltuchtasche getragen hatte, ein Trinkgeld in die Hand, wartete ein paar Minuten und nahm die Treppe zum Stockwerk unter ihm, wo er in einem langen Flur mit Teppichboden Zimmer dreizehn fand. Er klopfte diskret an, dann, nach einer Minute, erneut. Nichts. Er kehrte in sein Zimmer zurück, hängte das Jackett in den Schrank, legte sich aufs Bett und starrte an die Decke. Vier Uhr. Fünf. Zweiter Versuch. Nichts. War es überhaupt das richtige Zimmer? Er sah sich um und konnte auf dem gesamten stillen Flur nur verschlossene Türen entdecken. Vielleicht hatte der Kurier noch andere Dinge in Tanger zu erledigen. De Haan ging in sein Zimmer zurück.
Um sieben erwachte das Hotel zum Leben. Ein Klavier unten im Salon spielte Lieder, die ihn an die Pariser boîtes erinnerten, schmissig, fast wie Marschmusik. Im Innenhof wurden Türen auf- und zugemacht, jemand hustete, hinter den zugezogenen Gardinen gingen die Lichter an. Inzwischen regte sich bei De Haan, seinem Status als Geheimagent zum Trotz, Hunger auf ein Abendessen. Da er aber nicht die Absicht hegte, sich im Speisesaal blicken zu lassen, unternahm er einen letzten Versuch mit Zimmer dreizehn und machte sich, nachdem er an der Tür gelauscht und nur Stille gehört hatte, auf die Suche nach l'Ange Bleu. Eine produktivere Art, seine Zeit zu nutzen, dachte er, als in seinem Zimmer zu warten.
Er musste sich nach dem Weg erkundigen, doch im Herzen der Medina entdeckte er schließlich die Rue el-Jdid, eine Straße mit breiten Stufen, und, fast am oberen Ende, eine Bar ohne Schild. Er trat ein, setzte sich auf einen Holzhocker und wartete auf den marokkanischen Barkeeper, der noch mit ein paar anderen Gästen auf den benachbarten Hockern beschäftigt war. Der Keeper warf
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