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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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stiegen. »Das ist das Land, Sir«, sagte der Steward dann: »man riecht es lange, bevor man es sieht.«
    Von irgendwo nördlich das tiefe Seufzen eines Nebelhorns. Auf der anderen Seite der Brückenluke griff Ratter nach oben und zog an der Leine über seinem Kopf, und ihr eigenes Nebelhorn gluckste zuerst ein wenig, versprühte einen dampfenden Wasserstrahl aufs Dach und brachte endlich ein so lautes bebendes Grölen hervor, dass die Fensterscheiben klirrten. De Haan sah auf die Uhr – um neun Zusammenkunft in der Messe, er konnte also auf seiner Brücke bleiben. Der Logbucheintrag für diesen Morgen entsprach den Tatsachen, an Bord war alles im Lot, während die Noordendam unbeirrbar und entschlossen durch den Nebel nach Westen dampfte und im Mitstrom mühelos ihre Knoten schaffte.
    Maria Bromen war in Ratters Kajüte untergebracht, während sein Erster Offizier bei Kees eingezogen war. Sie hatte am Abend zuvor ausgiebig geduscht, De Haan hatte durchs Schott darauf gelauscht, während er auf seiner Koje lag und zu lesen versuchte. Eine komplizierte Geschichte, die er von Bromen zu hören bekam, sobald sie im Beiboot saß. Sie erzählte, dass sie und ihre Freunde, als sie kurz vor acht zu dem Schuppen zurückkamen, entdeckt hätten, dass jemand das Schloss aufgebrochen hatte, weshalb sie, ohne hineinzugehen, hastig weggelaufen seien und im Zimmer eines anderen Flüchtlings Zuflucht genommen hätten. Es folgte ein Albtraum – jemand, dem ein Wagen zur Verfügung stand, würde sie zum Pier bringen, doch dieser Jemand, der sonst immer in einem bestimmten Café zu finden sei, war nicht da, war nirgends aufzutreiben, bis es so spät wurde, dass er gefunden werden musste und es am Ende auch wurde, wenn auch beinahe zu spät.
    Aber Ende gut, alles gut. In wenigen Stunden würden sie zum Überstreichen vor Anker gehen und dann am Abend des Neunten als Santa Rosa in Lissabon andocken. Nachdem er sie am Vortag im Kaffeehaus abgesetzt hatte, war er bei der Barclay 's-Bankfiliale vorbeigegangen und hatte ein ansehnliches Bündel amerikanische Dollars abgehoben, damit sie, wenn sie das Schiff verließ, Geld zur Verfügung hatte und De Haan zumindest hoffen konnte, dass sie irgendwie überleben würde. Es war möglich, dachte er. Während Spanien offiziell neutral, aber insgeheim Deutschland zugeneigt war, wahrte Portugal im Prinzip Neutralität, war aber insgeheim stiller Verbündeter von Großbritannien, eine Allianz, die auf das vierzehnte Jahrhundert zurückging. So konnte es gut sein, dass portugiesische Staatsvertreter wegsahen und nicht allzu sehr darauf erpicht waren, ihren deutschen Freunden einen Gefallen zu tun. Demnach konnte sie mit falschen Papieren und ein wenig Glück den Krieg in Lissabon aussitzen. So lange die Organji sie nicht fand. In diesem Punkt war er sich keineswegs sicher, da sie, wie es hieß, überall waren und erbarmungslos zuschlugen. Trotzdem immerhin eine Chance. Und vielleicht schaffte sie es, mit sehr guten falschen Papieren und einer dicken Portion Glück, sogar über den großen Teich. Wo sie dann sehr viel sicherer wäre.
    Um 09.00 Uhr eine Besprechung in der Offiziersmesse. Unter dem Vorsitz von De Haan, mit Ratter, Kees, Kovacz, Ali, Shtern und Poulsen, dem dänischen Heizer, der als Kovacz' zweiter Maschinist eingesprungen war. Cornelius servierte Kaffee, es war fast wie in alten Zeiten. Nicht wie in alten Zeiten: ein Anruf in Lissabon wegen geheimer Fracht – Masten, Gitterantennen und drei Lkw für Smygehuk am öden Küstenstreifen im südlichen Schweden.
    »Demnach passieren wir die deutschen Stützpunkte an der norwegischen Küste?«, sagte Kees. »Und dann das Skagerrak und das Kattegat? Das dänische Nadelöhr? Oh, Schiet, kann ich da nur sagen. Da wimmelt es nur so von Minenfeldern und Torpedobooten. Na schön, es werden noch Wetten angenommen. Ich wette zehn Gulden, dass wir 6° östliche Länge nie zu sehen bekommen. Ratter? Bist du dabei?«
    »Nicht vergessen, wir sind ein spanischer Frachter«, sagte Ratter tapfer.
    »Und ich bin Sindbad, der Seefahrer.«
    »Es hat einmal funktioniert.«
    »Mit Gottes Gnade und mehr Glück als Verstand. Bei den Italienern.«
    »Was bitte«, sagte Shtern, »ist das Kattegat?«
    »Das Seegatt, der Kanal zwischen Dänemark und Schweden«, erwiderte Kees. »Kattegatt heißt Klüse – es ist sehr eng.«
    »Und das merken Sie schnell«, brummte Ratter vor sich hin.
    »Wer erwartet uns?«, wollte Kovacz wissen.
    De Haan zuckte die Achseln.

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