Die Stunde des Wolfs
Freude sein, sie Ihnen zu schenken. Einen neuen Pass, die Schiffspassage, wir nehmen ein Blatt Papier und schreiben es auf.«
»Kostet Zeit«, sagte sie. »Ich weiß, ich habe sie gesehen, die Reichsten, haben gewartet und gewartet. Monate . Alles Geld der Welt, können bestechen, können Geschenke kaufen, trotzdem warten sie. Wenn Sie nicht glauben, fragen Sie die Flüchtlinge, ich mache Sie bekannt.«
»Also?«
»Also muss ein Schiff bei Nacht sein. Zu einem neutralen Hafen. Keine Passkontrolle bei Abfahrt, keine Passkontrolle bei Ankunft. Verschwinden. Ohne Spuren, denen sie nachschnüffeln können.«
Ein säuerliches Lächeln auf De Haans Gesicht. »Ist das alles?«
»Ich kenne Häfen, Herr Kapitän. Ich weiß, wie es da geht.«
Sie hatte Recht, und De Haan wusste es.
»Es funktioniert nicht anders«, sagte sie. »Es tut mir Leid, aber es stimmt.«
Dann schwiegen sie, weil es nichts mehr zu sagen gab und ihm nichts anderes übrig blieb, als aufzustehen und wegzugehen. Und er befahl sich, genau das zu tun, aber es funktionierte nicht. Stattdessen zog er ein langes Gesicht und murmelte ärgerlich vor sich hin. Was er sagte, war auf Holländisch und keineswegs nett, aber sie wusste, was es bedeutete, und rieb sich die Augen mit den Fingern. Und behielt ein Versprechen für sich, sagte ihm ein Gefühl.
6. Juni. 21.05 Uhr. Bucht von Tanger.
Für diese kurze Mission hatte er seinen besten Mann herangezogen, den Bootsmann Van Dyck, der achtern im Beiboot saß und steuerte. Die Bucht war aufgewühlt an diesem Abend, und De Haan stützte sich am Dollbord ab, während sie sich den Lichtern der Stadt näherten. In der Tasche eine grobe Lageskizze auf einem Zettel. Ganz einfach, hatte sie gesagt, es gebe da einen kleinen, unbenutzten Pier am Fuß der Rue el-Khatib und eine Straße, die zu einem alten Hafenabschnitt führe, wo er bald auf eine Reihe großer Lagerschuppen gegenüber einem verlassenen Kanal stoßen werde. Der vierte davon sei von einem jüdischen Flüchtling bewohnt, der sich mit dem Adjustieren von Kompassen an Bord der Handelsschiffe über Wasser halte. De Haan müsse nur an einen der Holzläden klopfen, und jemand werde öffnen.
Er hatte sie gebeten, es ihr beinahe befohlen, aus Sicherheitsgründen auf der Stelle mit ihm zum Schiff zu kommen, doch sie wollte nichts davon hören. Fast in flehentlichem Ton erklärte sie, dass sie noch ein paar kleine Dinge aus dem Hotel holen, vor allem aber den Leuten, die ihr beigestanden hatten, Bescheid geben müsse, sie würde die Stadt verlassen. Als er noch einen Versuch unternahm, sie umzustimmen, erbot sie sich, die Hafenbarkasse zu nehmen, doch das ließ er nicht zu – die spanische Polizei hatte einen Passkontrollposten am Dock. Nein, er würde sie mit dem Beiboot holen. Als er um zwölf zurück an Bord war, hatte er in Browns Ports and Harbours die Rue el-Khatib nachgeschlagen und sie auf dem Stadtplan von Tanger ganz am Rand der Seite entdeckt, am heruntergekommenen östlichen Hafenrand, eigentlich gar kein Hafen mehr, nachdem dort schon lange keine Handelsschiffe mehr anlegten und die Gegend langsam verfiel. Auf der Karte kam von Westen eine kleine Straße herein, während diejenige, die auf ihrer Skizze aus dem Hafen herausführte, gar nicht verzeichnet war.
Als der Pier in Sicht kam, schaltete Van Dyck den Motor herunter. Die Lichter des Haupthafens lagen jetzt westlich von ihnen, doch wenn seine genaue Berechnung nach dem blinkenden Leuchtturm Le Charf richtig war, hatten sie das untere Ende der Rue el-Khatib gefunden. Hoffte er. Das Unternehmen gehörte nicht gerade zu den vernünftigsten Dingen, die er bis jetzt getan hatte, und Van Dyck war alles andere als begeistert, was er ihm, seit sie das Schiff verlassen hatten, durch sein betontes Schweigen zu verstehen gab. Ratter schmeckte die Sache genauso wenig – ein weiblicher Passagier an Bord –, doch es war ja nur für zwei Tage, erklärte De Haan, bis sie in Lissabon waren. Darauf von Ratter nur ein spöttisch fragender Blick aus dem Augenwinkel heraus – wieso tust du das?
Keine Wahl, dachte er, als sie sich der Küste näherten. Und überhaupt, was machte schon eine verlorene Seele mehr? Kovacz, Amado und seine Kumpel, dann Shtern, Xanos, der griechische Soldat, seine deutschen Kommunisten, allesamt mehr oder weniger auf der Flucht, dazu verdammt, durch die Welt zu streifen. Immer noch Platz für einen mehr auf der guten alten Noordendam.
Van Dyck schaltete den Motor aus und nutzte
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