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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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»Sie haben mir nichts weiter als einen Codenamen gegeben – keine Ahnung, wer sich dahinter verbirgt.«
    »Demnach sind die Schweden nicht eingeweiht, richtig? Sonst würden wir die Sachen nach Malmö schaffen.«
    »So verstehe ich das auch«, sagte De Haan.
    »Oder wollen Sie es vielleicht lieber nicht wissen?«, fragte Ali nach.
    »Neutralpolitik, Mr. Ali. Alles ist möglich.«
    »Wann müssen wir vor Schweden sein?«, fragte Kovacz.
    »Am Einundzwanzigsten vor Morgengrauen.«
    Es herrschte Schweigen, während sie rechneten.
    »Das ist so eben zu schaffen«, sagte Kovacz, »vorausgesetzt, wir kommen bis zum Elften aus Lissabon raus.«
    »Das müsste zügig gehen«, sagte De Haan. »Wir sollen eine Frachtliste abholen, für Kork und dergleichen, für Malmö, auch wenn wir in Wahrheit nichts laden.«
    »Und wie soll's im Anschluss an Schweden weitergehen?«, fragte Ratter.
    »Weiter nach Malmö, da holen wir eine Kiefernschnittholzladung, die nach Galway runter soll.«
    Nach einer Weile sagte Ratter: »In den irischen Freistaat, also neutral zu neutral, auf einem neutralen Schiff.«
    »Das ist die Philosophie. Aber wir bekommen in See weitere Instruktionen – ich möchte wetten, das lässt auf einen britischen Hafen schließen.«
    »Und auf das Ende der Santa Rosa«, sagte Kees. »Und dann – Konvois?«
    De Haan nickte. Schlimm, aber nicht schlimmer als das, was sie bereits getan hatten.
    »Werden wir die schwedische Seite des Kattegat rauffahren?«, erkundigte sich Poulsen.
    »Natürlich«, sagte De Haan. »Ich kann nicht sagen, ob das wichtig ist, aber wir werden's versuchen.«
    Kovacz warf ein, »Ich sag Ihnen, es ist nicht wichtig: nicht da oben in der Ostsee – die Deutschen tun, was sie wollen, und die Schweden kommen ihnen nicht in die Quere. Würden sie nicht wagen, sonst heißt es Blitzkrieg für sie, und das wissen sie genau.«
    Mr. Ali klopfte seine Zigarette am Aschenbecher ab. »Er hat Recht.« Und ich kann es beweisen. Ganz offensichtlich hatte Mr. Ali eine Geschichte zu erzählen, und sie warteten darauf, sie zu hören. »Zum Beispiel«, sagte er, »erst gestern war da dieses französische Schiff, das mit dem Eigentümer in Marseille Funkverbindung hatte. Und zwar in Klartext, mehrmals in beide Richtungen. Und nach allem, was ich mitbekommen habe, hatten sie Wolframit für Leningrad geladen, aber ein Patrouillenboot hat sie gezwungen, in den Hafen zurückzukehren, und da sitzen sie jetzt fest. Keine Erlaubnis auszulaufen.«
    »Kein Wunder«, sagte Ratter. »Das ist Wolfram – für Panzerplatten, für Panzergranaten, nur noch schwer dranzukommen in diesen Tagen, also wollen die Deutschen es für sich.«
    »Zweifellos«, pflichtete Kees bei. »Aber die Sowjets sind doch angeblich ihre Verbündeten.«
    »Hat das französische Schiff einen Grund genannt?«, fragte De Haan.
    »Der Eigentümer hat gefragt, aber da haben die Deutschen die Verbindung unterbrochen. Die Frequenz gestört, und als der französische Funker auf eine andere ging, haben sie ihn da gestört.«
    »Das ist ziemlich seltsam«, sagte De Haan. »Wenn man mal drüber nachdenkt.«
    »So seltsam auch wieder nicht«, sagte Kovacz. »Die Beziehung kühlt ab.«
    »Noch was im Rundfunk gehört?«, fragte De Haan. »Auf BBC?«
    »Nicht viel Neues. Die Kämpfe in Nordafrika und der Tod des deutschen Kaisers in Holland, nach dreiundzwanzig Jahren Exil.«
    »Bravo«, sagte Ratter. »Möge er in der Hölle schmoren.«
    »Er hatte nie etwas für Hitler übrig, wissen Sie«, wandte Kees ein.
    »Hat er behauptet. Aber sein Sohn ist General bei der SS – ich bin sicher, dass er was für ihn übrig hatte.«
    »Sonst noch was Neues, Mr. Ali?«, fragte De Haan.
    »Nur das Übliche – die Deutschen verstärken ihre Truppen an der polnischen Grenze.«
    Kovacz und De Haan wechselten einen Blick. »Da haben wir die Bescherung«, sagte Kovacz trocken.
    5. Juni, Hotel Rialto, Tarragona.
    S. Kolb lag auf dem altersschwachen Bett und versuchte, Zeitung zu lesen. Seine bescheidenen Französischkenntnisse halfen bei einer spanischen Zeitung wenig, und diejenige, die er im Kino bekommen hatte, war anspruchsvoll und schwierig, so ein verdammtes Pech, mit wenigen Fotos und ganz ohne Comics. Spaniens Version von Le Monde vielleicht, mit langen, wohl überlegten Artikeln. Wo er die Sprache nicht beherrschte, wären ihm die kurzen, sensationslüsternen Meldungen einer Boulevardzeitung lieber gewesen.
    Vor langer Zeit einmal mochte dieses Hotel gar nicht so

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