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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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bewenden.«
    »Du weißt, dass er heute Morgen einen Rundgang durchs gesamte Schiff gemacht hat? Er ist überallhin, runter in den Maschinenraum, ins Mannschaftsquartier.«
    »Das wusste ich nicht, aber was soll's? Was kann er schon anstellen? Schreib's seiner Neugier zu und vergiss es, es gibt Wichtigeres, worüber wir uns den Kopf zerbrechen müssen.«
    12. Juni, 05.10 Uhr. Vor Vigo.
    Hundert Meilen östlich von ihnen im Morgennebel. De Haan hatte den Hafen schon immer gemocht – eine riesige Bucht, leichtes Andocken, eine Stadt, die Seeleute willkommen hieß. Eine holländische Flotte hatte Vigo während eines der Kriege im achtzehnten Jahrhundert zusammen mit einem britischen Geschwader besetzt. Der Dozent an der Marineakademie hatte ihnen eine alte Karte gezeigt, die noch in der seltsamen Perspektive der Zeit gezeichnet war, auf der eine Reihe großer Schiffe auf kleinen halbkreisförmigen Wellen ritt. Während der napoleonischen Kriege dann hatte es eine Rolle gespielt, was für eine noch gleich? Die britische, die französische Flotte?
    Es klopfte am Backbordfenster der Brücke. Ruysdaal, der Ausguck, machte ihm Zeichen, er möge auf die Nock rauskommen.
    »Da drüben, Herr Kaptän.«
    Im Auf und Ab des niedrigen Wellengangs eine Gruppe dahintreibender Gestalten. De Haan blinzelte durch das Fernglas. »Halten Sie einen Scheinwerfer drauf«, sagte er.
    Ruysdaal bediente den Scheinwerfer, und ein gelber Strahl erfasste das, was dort im Wasser schwamm. Leichen. Vielleicht zwanzig insgesamt. Einige in dunkler Kleidung, andere in Unterwäsche – sie hatten geschlafen, als es passierte –, ein paar hatten Schwimmwesten an, und zwei der Männer waren am Handgelenk mit einem Seil miteinander verbunden. De Haan suchte nach Kennzeichen, nach irgendeiner Identifizierungshilfe, doch selbst mit dem Scheinwerfer konnte er im ersten Morgengrauen nichts sehen. »Können Sie den Namen des Schiffs erkennen? Irgendetwas?«
    »Nein, Herr Kaptän.«
    Es trieb noch mehr auf den Wellen: Trümmer, Holzstücke, ein Fetzen Segeltuch, ein weißer Rettungsring – falls er beschriftet war, dann schwamm er dort mit der Unterseite nach oben.
    »Das Schiff anhalten, Herr Kaptän? Das Beiboot klarmachen?«
    De Haan sah hinaus und suchte nach irgendeinem Lebenszeichen in den menschlichen Körpern, die von den Bugwellen ihres Schiffs hin und her geworfen wurden, bevor sie achtern entschwanden. »Nein«, sagte er. »Wir können nichts mehr für sie tun.«
    Ruysdaal richtete so lange den Scheinwerfer auf die Toten, bis sie am Rand des Lichtkegels außer Sicht gerieten. »Verdammte Schande, wer immer sie sind.«
    »Ich mach einen Eintrag ins Logbuch«, sagte De Haan und kehrte auf die Brücke zurück.
    13. Juni, 19.20 Uhr. Vor Brest.
    Die Tischgespräche wurden zumeist auf Englisch geführt, hier und da auf Deutsch, zum Beispiel zwischen Kovacz und Poulsen. Sie kamen zurecht – jeder half seinem Nachbarn, es war besser als Schweigen und allemal besser als der Räucherfisch mit Bohnen.
    »Wo sind wir heute Abend, Herr Kapitän?«, fragte Kolb.
    »Ungefähr vor Brest. Also, in weitem Abstand, etwa zweihundert Meilen.«
    »Die Minenfelder«, erklärte Ratter.
    »Ja«, sagte Kovacz. »Großer Marinestützpunkt in Brest.«
    »Und U-Boote«, fügte Mr. Ali hinzu.
    »Ich glaube, sie kommen aus La Rochelle «, sagte Ratter. »Nicht, dass das einen großen Unterschied machte, sie haben uns alle im Visier.«
    »Leichte Beute«, sagte Kolb. »Aber wieso sollten sie sich für uns interessieren?«
    »Sie haben schon neutrale Schiffe versenkt, beide Seiten«, sagte Ratter. »Vielleicht will nur jemand einen weiteren Strich auf seine Liste setzen, also drücken sie auf einen Knopf.«
    »Oder sie haben mal schlechte Laune«, sagte Mr. Ali.
    »Ja«, sagte Ratter. »Wieso nicht?«
    Niemand konnte einen Grund nennen, wieso nicht – solche Dinge passierten eben und würden immer wieder passieren.
    »Er ist schändlich, dieser Krieg«, sagte Maria Bromen. »Alle Kriege.«
    »Er geht auch mal zu Ende«, sagte De Haan. »Irgendwann.«
    »Krieg?«, fragte Kolb.
    »Dieser Krieg.«
    »Haben Sie den schon gehört, über Hitler und das Kriegsende?«, sagte Kolb. »Er ist in seinem Büro und er betrachtet sein Porträt und er sagt zu ihm, ›Also, die versuchen, mich loszuwerden, aber du hängst immer noch da. Was wird aus uns werden, wenn der Krieg vorbei ist?‹ Und das Porträt sagt, ›Ist doch klar, Adolf, sie werden mich los und hängen dich auf.‹«
    Es

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