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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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zwei Klingeln schellten, und einen Moment später kam das Echo aus dem Maschinenraum. Hinter ihnen das Lotsenboot auf dem Weg zum Hafen zurück und die letzten Lichter an der Küste. Cornelius kam mit einem Becher Kaffee und einer Dose Kondensmilch auf die Brücke. De Haan trank etwas Kaffee ab, goss Milch dazu und rührte mit dem Bleistiftende um. »Wie sieht's unter Deck aus?«, fragte er.
    »Wir sind froh, dass wir weg sind, Herr Kaptän.«
    »Ja, ich auch«, sagte De Haan.
    Cornelius stand eine Weile neben ihm und blickte auf das Meer vor ihnen. Als er sich zum Gehen wandte, sagte De Haan: »Kaffee ist gut heute, richten Sie das dem Koch von mir aus.«
    Cornelius versprach es und verließ die Brücke. De Haan blickte nach achtern, auf die flatternde spanische Flagge, über das Kielwasser, das im Mondlicht wie Phosphor glitzerte. Eine achttägige Fahrt lag vor ihnen. Brown's Almanac zufolge lag Lissabon auf eine Länge genau westlich von Glasgow, gleich elfhundert Seemeilen, hundert Stunden, vier Tage bei ihrem Tempo von elf Knoten. Von da aus konnten sie zwischen zwei Routen wählen, Elsinore über den Nord-Ostsee-Kanal – Elsinore , diese britische, recht shakespeare'sche Variante des dänischen Hafens Helsingør  –, wohin gegen der Nord-Ostsee-Kanal mitten durch Norddeutschland führte. Der Gedanke allerdings wäre mehr als dreist. Stattdessen würden sie Elsinore über Skaw anlaufen, das heißt, über den Hafen Skagen, an der Nordspitze Dänemarks. Es gab eine kürzere Route, durch den so genannten Großen und Kleinen Belt – Kanäle durch die dänischen Inseln –, doch der Bogen um die Ostsee würde sie zu nah an die deutsche Küste bringen. Wenn sie weiter östlich durch das drei Meilen lange Nadelöhr zwischen Helsingør und der schwedischen Küste fuhren, war es bis Malmö weniger als ein Tag und dann nur noch ein paar Stunden nach Osten bis Smygehuk.
    Dann wieder für die Schnittholzladung nach Malmö rauf, dachte er. Und für Kolb, der sie dort verlassen würde, dann theoretisch nach Irland weiter, wo Maria Bromen sie verlassen würde. Dann würde sie nun also für zwei Wochen in Ratters Kajüte wohnen.
    19.00 Uhr. Abendessen in der Offiziersmesse. Alle Offiziere außer Kees, der auf Plattfuß war. Maria Bromen, nunmehr wieder in Arbeitshose, schwarzem Pullover und Segeltuchschuhen; und ihr mitreisender Spion, Mr. Browns ›mickriger kleiner Mann‹. Das war er zweifellos – klein und schäbig, glatzköpfig, mit einem dunklen Haarkranz, Brille und kümmerlichem Lippenbart. Und sehr zurückhaltend, der Mann. Erhatte, wie De Haan bemerkte, die Zurückhaltung zur Kunst erhoben. Als sich alle zum Essen versammelten, wartete Kolb, um zu sehen, wer sich welchen Platz aussuchte, wartete geschickt, indem er unschlüssig hin und her wanderte, bis alle anderen saßen, und nahm sich dann den freien Stuhl. »Miss Bromen hat sich für unsere Fahrt nach Norden wieder zu uns gesellt«, sagte De Haan, »und wir haben noch einen weiteren Passagier, Herrn Kolb.« De Haan ging die Namen der Tischgesellschaft durch, und Kolb nickte und murmelte mit starkem Akzent auf Englisch: »Freut mich, Sie kennen zu lernen.«
    »Wo kommen Sie her, Herr Kolb?«, fragte Mr. Ali.
    »Aus der Tschechoslowakei«, erwiderte Kolb. »Oben in Böhmen, dem deutsch-tschechischen Teil.«
    »Sie sind Deutscher von Geburt?«
    »Ein Teil von mir«, antwortete Kolb. »Da oben sind wir alle ziemlich durchgemischt.«
    »Und Ihre Arbeit?«, fragte Kovacz.
    »Ich bin Handelsreisender für Industriemaschinen«, sagte Kolb. »Für eine Firma in Zürich.«
    »Die Geschäfte gehen weiter«, sagte Ratter. »Krieg hin, Krieg her.«
    »Sieht wohl so aus«, sagte Kolb nicht ungern – war schließlich nicht seine Schuld. »Krieg hin, Krieg her.«
    Cornelius servierte das Essen: Gerstensuppe, Presssack mit Reis und marokkanische Orangen. Maria Bromen schälte ihre Frucht geschickt mit dem Daumennagel und aß sie in Scheiben.
    Nach dem Abendessen fing Ratter De Haan auf dem Weg zu seiner Kajüte ab. »Wer ist der Kerl, Eric?«
    »Eine Gefälligkeit für die Briten, er will nach Malmö.«
    »Ist er gefährlich?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ich weiß nicht. Ist er es?«
    »Er ist nichts weiter als ein Passagier. Ich wollte ihn eigentlich nicht mitnehmen, aber sie haben drauf bestanden, und darum ist er hier.«
    »Seit gestern haben sich das alle gefragt.«
    »Lass sie«, sagte De Haan. »Noch eine unbekannte Größe, lassen wir es dabei

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