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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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starben, wenn sie dort hinunterfielen, und die Sprossen waren nur fünfzehn Zentimeter breit – die Werften opferten keinen Platz, den sie für die Fracht benötigten. Ratter hustete, als er sich an den Abstieg machte, und sagte, als De Haan ihm folgte: »Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mir nicht auf die verfluchten Pfoten treten würdest, Eric.«
    »Tut mir Leid.«
    Kees schob sich rückwärts vom Deck hinunter, und De Haan sah, wie er den Fuß zur Seite drehte und auf einer glitschigen Sprosse Halt suchte. Über ihnen richtete der Matrose den Schlauch so aus, dass der weiße Strahl an ihren Köpfen vorbei zischte – ein kleiner Ausrutscher mit der Hand, und sie waren alle drei erledigt. Jemand an Deck, Kovacz vielleicht, brummte: »Ihr seid zu dicht hintereinander.«
    Irgendjemand hatte einen Geistesblitz, schaltete die Lichter ein – woraus zu schließen war, dass es nicht in den elektrischen Leitungen gebrannt hatte –, und leuchtete einen der Lkw an, dessen Motorhaube und Führerhaus in Flammen standen. »Stellen Sie den Schlauch ab und reichen Sie ihn runter«, schrie Kees.
    »Versuchen Sie das nicht«, brüllte De Haan.
    »Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, schrie Kees zurück.
    Bei Licht konnten sie weiter hinuntersteigen. Zu schnell, De Haan rutschte mit dem Fuß von einer Sprosse ab, und er packte eine über ihm mit beiden Händen, so dass die Lampe in die Tiefe fiel und scheppernd auf den Boden traf.
    Als sie endlich unten waren, hielten sich alle drei mit einem Knäuel Hemd die Nase zu. Kees drehte den Schlauch auf und richtete den Strahl auf den Laster. Das Feuer im Führerhaus erlosch sofort, doch der brennende Sprit im Motor flammte immer wieder auf. Sie gingen weiter, indem sie durch zentimetertiefes braunes Wasser wateten, und legten sich schließlich hinein, um den Strahl von unten in den Motor zu richten. Das zeigte Wirkung. »Sollen die Kisten auch einen Spritzer abbekommen?«, fragte Kees.
    »Nein, besser nicht«, sagte De Haan.
    »Lkw können sich selbst entzünden«, sagte Ratter, der vor der verkohlten, rauchenden Motorhaube stand. »Kommt ständig vor.«
    »Haben Sie den Tank nicht geleert?«, sagte De Haan zu Kees.
    »Ich hab gedacht, die müssten ihn sofort fahren.«
    De Haan ging zu der Kiste hinüber, die am dichtesten beim Laster stand, eine von den Zwei-vierzig-mal-zwei-vierzigern, und fühlte nach ihrer Temperatur. Das Holz war rauchgeschwärzt und warm, aber nicht mehr. »Hätte Feuer gefangen, früher oder später«, sagte er.
    »Sabotage«, sagte Ratter.
    »Vielleicht.«
    »Dieser kleine Deutsche.«
    Wie ein geschmeidiger Bär kletterte Kovacz, nach Banditenart einen Lappen über Mund und Nase gebunden, zügig die Sprossen herunter, stellte sich zu ihnen und starrte auf den abgebrannten Laster. »Der soll Feuer fangen? Einfach so?«, sagte er, nahm ein Paar Heizerhandschuhe aus seiner Gesäßtasche und zog sie an. Er ging, indem er sich den Rauch aus dem Gesicht wedelte, zum Führerhaus und riss die Tür mit einem Ruck auf. »Der Anlasser ist an«, rief er den anderen zu. »Vielleicht haben sich die Drähte erhitzt.«
    »Viel zu lange her, seit wir ihn verladen haben«, sagte Ratter. »So lange würde es die Batterie nicht tun.«
    »Schon mal vorgekommen?«, fragte De Haan.
    Nach kurzem Zögern erwiderte Kees: »Einmal, ja. Auf der Karen Marie, irgend so ein großer Tourenwagen.«
    »Kann also passieren«, sagte De Haan und rief dann Kovacz zu: »Irgendwas da drinnen, was da nicht hingehört?«
    »Kann nichts entdecken.«
    »Werde ihn los«, sagte Ratter und meinte Kolb.
    »Und wie soll ich das anstellen?«, fragte De Haan. »Ihn an einem Kran aufhängen? Vor versammelter Mannschaft?«
    »Sie können schon«, sagte Kees. »Und wenn Sie wollen, in aller Stille.«
    »Das ist verrückt«, sagte De Haan. Doch Kees hatte gar nicht einmal so Unrecht. De Haan war, nach holländischem Seerecht: ›Schiffer nächst Gott‹, und das hieß, dass er so ziemlich alles tun und lassen konnte.
    Kovacz stieg aus dem Führerhaus und öffnete die Motorhaube. Alle vier spähten sie hinein, den Gestank von verbranntem Gummi beißend in der Nase. »Nichts«, sagte Ratter. »Wie zum Teufel hat er das gemacht?«
    »Wartet mal«, sagte Kovacz. Er griff unter den Motor und schälte einen schwarzen Stofffetzen vom Metall. »Öliger Lappen?«
    Schweigen. Sie starrten einander in die tränenverschmierten, rußigen Gesichter. Kees hustete und sagte: »Vielleicht war's ja die Frau.«
    »Oder

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