Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht - Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht
Metern zusammen. So musste das Nichts aussehen, dachte Hel, das irgendwo jenseits des Meeres und hinter den letzten Landstreifen lauerte. Ewiger Dunst … ob ein Mensch hineinlaufen konnte? Würde man selbst zu Nichts werden, wenn man das Ende der Welt erreichte?
Sie ging die Reling des gesamten Schiffs entlang und streckte die Hand aus, als könnte der Nebel irgendwo greifbar werden. Doch er verschwand zwischen ihren Fingern; er machte alles unsichtbar und war dabei selbst unsichtbar. Die Feststellung faszinierte Hel und sie konnte eine Weile an nichts anderes denken.
Dann rissen die Wolken unter ihr auf und ein einziger Fleck Grün tauchte auf. Hel blieb stehen und beobachtete, wie er vorüberzog. Es war, als würde sie die gesamte Erde aus einer unmöglichen Ferne sehen, winzig und vollkommen allein in der Leere.
Später fragte sie Olowain, was hinter dem Alten Reich lag. Sie saßen mit ein paar Sturmjägern, den Söldnern und Kelda im Esszimmer, spielten Karten und tranken Tee. Als Hel ihre Frage stellte, erwachte Olowain aus den Gedanken, die ihn
schon seit einiger Zeit abwesend aus den Fenstern starren ließen.
»Was meinst du?« Er räusperte sich. »Hinter dem Alten Reich?«
»Ja, ich meine … ist da ein Meer? Oder geht das Land weiter? Wer hat die Grenzen da gezogen, wo sie sind, und warum?«
Alle blickten Hel groß an. Nur Kelda schien nicht verwundert, dass sie diese Dinge plötzlich wissen wollte. Er nippte an seinem Tee und wandte sich Olowain zu, um seine Antwort zu hören.
»Hohe Berge liegen nördlich von Hellesdîm.« Olowain bemerkte, dass Hel die Stirn runzelte, und erklärte: »Hellesdîm sind die Heiligen Hallen, wo die Druiden leben. Es ist der nördlichste von Menschen bewohnte Punkt der Erde. Was dahinter liegt, ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Nicht viele Bücher beschäftigen sich mit dem Thema, und die wenigen, die es tun, sind eher poetischer Natur, nicht auf Fakten begründet, nicht ernst zu nehmen. Angeblich steigt das Land immer höher, riesige Gebirge ragen in den Himmel, und die Berggipfel, die das Ende der Welt markieren, berühren die Sterne.«
Schweigend blätterte Hel durch die Spielkarten auf dem Tisch. Alle waren nachdenklich geworden.
»Hm«, machte einer der Sturmjäger. »Glaubt Ihr denn daran, Meister Olowain?«
Olowain lehnte sich zurück und ließ mit der Antwort auf sich warten. Schließlich murmelte er: »Es klingt wie ein Märchen, und wahrscheinlich ist es eins, von den Druiden erfunden. Doch … da niemand diese Gegend je bereist hat, kann ich auch nicht sagen, dass es nicht stimmt. Ich weiß es nicht.« Er seufzte und schien mit einem Mal sehr erschöpft. »Wer weiß schon etwas wirklich.«
Kelda stützte vorsichtig seinen verbundenen Arm auf den Tisch. Bis jetzt war er immer abseits der Runde geblieben, und Hel kannte ihn inzwischen gut genug, um der kleinen Geste eine größere Bedeutung beizumessen. »Zu wissen, dass Euer Wissen begrenzt ist, Meister Olowain, ist bereits eine Menge«, sagte er leise und senkte den Blick.
Olowain schmunzelte, um zu verbergen, wie überrascht er über die Bemerkung war.
Dann fragte Hel: »Was denken denn die Isen, wo die Welt aufhört?«
»Mit dem Meer natürlich«, erwiderte Kelda prompt. »Das Meer ist überall und umschließt alles. Die Länder sind nur Inseln darin. Denn die Welt, die wir sehen, ist immer das Spiegelbild unseres eigenen Lebens. Und für die meisten von uns ist das Leben nichts als der Moment im Jetzt und die ferne Sicht auf vergangene Momente, verstreut wie Inseln im Meer der Zeit. Wenn du weißt, was jenseits der Momente liegt, aus denen dein Leben besteht, dann weißt du auch, was hinter den Grenzen der Welt liegt.«
Alle sahen ihn stumm an. Kelda nahm seinen Tee und trank.
Eines Morgens stießen die Türme von Aradon aus den Nebeln. Sie entdeckten die gigantischen schwarzen Felsbauten erst so spät, dass Kapitän Nord eine scharfe Kurve fliegen und die Türme einmal umrunden musste. Nieselregen machte die Anlegestelle glitschig, und alle Sturmjäger waren durchnässt, als sie das Schiff gelandet hatten. Nur die Gefährten, die die magischen Umhänge trugen, blieben trocken.
Ihre Ankunft war bereits per Eilige Feder angekündigt worden, sodass Palairon, der Vorsitzende der Magierschaft, und seine engsten Berater im Eingang warteten. Nach der
förmlichen Begrüßung wurden die Sturmjäger in ihr Quartier gebracht, die Gefährten aber bezogen ein Stockwerk höher ihre Zimmer. Es schien
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