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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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das Kommando über eine Geschützbatterie übernahm. Vielleicht war er ja nach Olmütz zurückgekehrt? Oft hatte sie an den Streit vor dem Zimmer ihres Onkels gedacht. War der Branntwein schuld daran gewesen, oder hatte Gregorius in diesem Augenblick sein wahres Gesicht gezeigt? So oft hatte er ihr geholfen … Die Gespräche mit ihm … Nie zuvor hatte sie das Gefühl gehabt, dass jemand sie so gut verstand. War all dies nur Lug und Trug gewesen?
    In einem leuchtenden Feuerball explodierte eine Mörsergranate über den Verteidigungsanlagen der Stadt. Einen Herzschlag lang war ein massiger Torturm mit hohem Giebeldach zu sehen. Jetzt war nicht die Zeit für melancholische Gedanken! Gabriela wandte sich zur Stadt. Prag war deutlich als schwarze Silhouette gegen den Horizont zu erkennen, denn in fast allen Vierteln loderten Brände. Das »hunderttürmige Prag« hatten die Reisenden gerne die Stadt an der Moldau genannt. Dicht, fast wie ein Wald hoben die Türme sich gleich riesigen schwarzen Fingern gegen den Himmel ab. Da gab es die Zwiebeltürme der Barockkirchen und die himmelhohen, spitzen Türme der gotischen Kirchen sowie die abgeflachten Türme und Bastionen der Stadtbefestigung. Über allem lag der Hradschin, der Hügel mit der Burg, gekrönt von einem riesigen Dom.
    Das Herz Böhmens, das war der Name, den ihr Vater in den Erzählungen ihrer Kindertage gebraucht hatte, wenn er von der Krönung Maria Theresias auf dem Burgberg berichtete oder von den verwinkelten Gassen des Judenviertels, wo nachts angeblich eine riesige Gestalt aus Lehm ihr Unwesen trieb. Erst jetzt begriff Gabriela, warum der Preußenkönig seinen ersten Angriff hier führte. Sollte Prag verlorengehen und der Prinz mit all seinen Truppen kapitulieren, dann wäre im ganzen Böhmerland der Wille zum Widerstand gebrochen. Vielleicht würde die Kaiserin sogar um Frieden bitten.
    Noch nie hatte Friedrich II . eine große Schlacht verloren. War Prag erst besetzt, und konnte er mit all seiner Heeresmacht gegen Daun ziehen, dann würde ihn auch der Feldmarschall nicht mehr aufhalten können. Sie mussten jetzt angreifen, solange seine Armee um die ganze Stadt verteilt war und er sie nicht zur Schlacht formieren konnte, ohne dabei befürchten zu müssen, dass ihm die Verteidiger von Prag in den Rücken fallen würden.
    Lange stand sie auf dem Hügel und betrachtete die Stadt. Prinz Karl hatte sein Quartier wahrscheinlich auf dem Hradschin. Um dorthin zu gelangen, musste sie auf die andere Seite der Moldau. Abgesehen von den preußischen Behelfsbrücken gab es nur eine einzige Brücke. Sie führte inmitten der Stadt über den Fluss … Gabriela fragte sich, ob sie versuchen sollte, durch die Moldau zu schwimmen? Aber wie sollte sie sich dann den österreichischen Vorposten nähern? In der Finsternis konnten die Verteidiger sie nicht erkennen, und es bestand Gefahr, dass sie niedergeschossen wurde, wenn sie plötzlich aus dem Dunkel auftauchte.
    Schließlich fasste sie sich ein Herz. Sie musste einfach näher heran. Dann würde sich schon ein Weg finden! Sie stieg in den Sattel und bewegte sich vorsichtig den Hügel hinab. Im Dunkeln war ihre Uniform kaum von den Husarenuniformen der Preußen zu unterscheiden.
    Sie durchquerte ein abgeholztes Wäldchen. Von Ferne sah sie Hunderte Lagerfeuer zwischen den Hügeln brennen und die endlosen Reihen der Zelte. Wie viele Männer der Preußenkönig wohl zusammengezogen hatte?
    Bald passierte sie ein ausgebranntes Gasthaus. Sie war zu nahe an eine Straße gekommen! »Was machst du nur?«, flüsterte sie Nazli leise ins Ohr und wollte gerade die Richtung wechseln, als hinter ihr eine scharfe Stimme erklang: »Wer dort?«
    Gabriela schluckte. Sie drehte sich um. Etwas hatte sich zwischen den Ruinen des Hauses bewegt. »Lieutenant Schindler von den Zieten-Husaren.«
    Eine Laterne flammte auf. Drei Gestalten lösten sich aus dem Schatten des Gemäuers. Zwei von ihnen hatten die Musketen im Anschlag. Der Dritte hielt die Laterne.
    Jetzt erkannte Gabriela die silbrigen Bleche ihrer Füsiliermützen. Die Männer trugen gelbe Hosen und dunkelblaue Uniformröcke mit gelben Ärmelaufschlägen. Der Kerl mit der Laterne schien ein Unteroffizier zu sein. Er war etwas korpulenter, und ein Rohrstock hing von einem der Knöpfe seines Rocks. »Ein Zieten-Husar? Und was machst du hier?«
    »Ich … habe dringende Nachricht für Feldmarschall Schwerin!«
    Der Strahl der Laterne glitt über ihre Uniform.
    »Graf von Schwerin! Der ist

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