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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Gewehrfeuer.
    »Kommt Nádasdy, um uns hier herauszuhauen?«, fragte der alte Grenadier.
    »Bald.« Sie brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass sich das Entsatzheer zurzeit noch von Prag zurückzog und auf Verstärkungen wartete. »Ich muss zum Generalstab. Wie komm ich dorthin?«
    »Geradewegs durch das Tor. Du folgst der Straße bis zur Brücke und … « Heulend zogen Kanonenkugeln über sie hinweg. Fast im selben Augenblick verwandelte sich die Szene in ein Inferno aus Schreien. Einige der Kugeln waren in den Torturm eingeschlagen. Steinsplitter zischten durch die Luft. Nazli scheute und drohte durchzugehen. Die Männer rings herum warfen sich auf die Straße. Nur der alte Grenadier blieb ruhig neben ihr stehen. Er blickte zur Silhouette des Turms.
    »Am Pulverturm werden sich die gottverdammten Preußen die Zähne ausbeißen!«
    Rings herum erhoben sich die Soldaten aus dem Schlamm.
    »Hast du denn keine Angst?«, fragte Gabriela den Grenadier ungläubig.
    Der Alte lächelte müde. »Was soll ich tun? Wenn der Herrgott beschlossen hat, dass meine Stunde gekommen ist, werde ich’s nicht verhindern können. Da schau ich dem Tod dann lieber aufrecht ins Gesicht. Aber du machst jetzt besser, dass du durch das Tor kommst. Das hier ist kein guter Platz zum Verweilen!«
    Gabriela wendete ihr Pferd. Der hohe Torweg sah aus wie eine Pforte zur Hölle. Das andere Ende leuchtete rot von den Flammen eines brennenden Bürgerhauses. Im Tor selbst kauerten Verwundete entlang der Mauern und warteten darauf, dass sie weiter nach hinten in eins der Lazarette geschafft wurden. Ein zerstörter Munitionswagen und drei tote Pferde blockierten die ohnehin schon enge Straße fast völlig. Es stank nach Pulverdampf und versengtem Haar. Fluchend versuchte ein Offizier einige der leichter Verletzten dazu zu bringen, ihm zu helfen, die Trümmer aus dem Weg zu räumen.
    Dumpf erbebte das Gemäuer, als erneut eine Salve den Torturm traf. Staub rieselte von der gewölbten Decke. Gabriela war froh, als sie das steinerne Grab hinter sich gelassen hatte.
    Quer über die Straße stand eine Kette von Zivilisten, die Eimer weiterreichten, um ein brennendes Haus zu löschen. Niemand nahm Notiz von ihr. Schweigend ritt sie dem Moldauufer entgegen. Zersplitterte Dachschindeln lagen auf der ungepflasterten Straße verstreut. Der festgestampfte Lehm hatte sich in fast knöcheltiefen Morast verwandelt. Wie die Gerippe riesiger Tiere ragten die Balken ausgebrannter Dachstühle gegen den Himmel. Jemand hatte entlang einer Häuserwand mehr als zwanzig dunkel schimmernde, seltsam verzogene Kanonenkugeln aufgereiht.
    Gabriela erreichte einen weiteren Torturm. Mit seiner breiten Durchfahrt wirkte der schlanke Turm fast zerbrechlich. Elegant, scheinbar schwerelos, erhob er sich über dem ersten Brückenpfeiler dicht am Ufer.
    »Wohin des Weges, Husar?« Ein Lieutenant mit gezwirbeltem Schnauzbart und ausgemergeltem Gesicht griff ihr in die Zügel.
    »Ich komme aus dem Heerlager Nádasdys mit dringender Nachricht für den Prinzen Karl.«
    Der Mann starrte sie einen Moment lang aus seinen blutunterlaufenen Augen an. »Endlich«, murmelte er leise. »Folge mir, ich bring dich ins Hauptquartier.« Mit langen Schritten durchmaß er das Tor und führte sie auf die Brücke.
    Verwundert betrachtete Gabriela die prächtigen Statuen, die sich auf reich verzierten Podesten hoch über das Geländer erhoben. Ein Bischof reckte ihr die Hand entgegen, so als wolle er sie segnen. Unwirklich wie ein Traumbild erschien ihr diese Brücke der versteinerten Heiligen, deren Gesichter voller tiefer Schatten rot im Schein der Flammen leuchteten.

1 0. KAPITEL
    Gabriela war von den Ereignissen der letzten Stunden so aufgewühlt, dass sie nur einen unruhigen Schlaf gefunden hatte. In Schweiß gebadet erwachte sie. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, wo sie sich befand. Sie lag in einem prächtigen Bett mit hohen vergoldeten Pfosten. Über ihr spannte sich ein Himmel aus dunklem Samt, in den silberne Lilien gewirkt waren. Die Vorhänge des Bettes waren zugezogen, doch durch einen Spalt fiel ein schmaler Streifen Tageslicht, in dem graue Staubflocken tanzten.
    Von Ferne hörte sie das Donnern von Kanonen. Mit dumpfem Geprassel schlug Regen gegen die Fensterscheiben. Jetzt erinnerte sie sich! Prag, die goldene Stadt an der Moldau! Sie war gestern Nacht noch vor den Prinzen gebracht worden, den Schwager der Kaiserin. Er war ein korpulenter Mann mit gehetztem Blick. Gabriela

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