Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
war mit etlichen Münzen besetzt. Einmal, als sie Gabriela besonders nahe kam, konnte die Husarin erkennen, dass die Münzen am Gürtel Maria-Theresien-Taler waren. Sie musste lächeln. Sollte das eine Provokation sein?
Doch das Lächeln verschwand schnell wieder von ihren Lippen. Die Orientalin schien großes Interesse an ihr zu haben. Öfter als es schicklich war, blickte die Verschleierte in ihre Richtung. Ob sie etwas ahnte?
Gabriela verließ ihren Platz und stellte sich in die Nähe Nádasdys. Bei dem General fühlte sie sich sicherer. Hier würde es niemand wagen, sie zu brüskieren.
Ein Fanfarenstoß ließ das Orchester verstummen. Alle wandten sich zur großen Eingangstür am nördlichen Ende des Saals. Der Zeremonienmeister stieß mit seinem schweren Stab auf den Boden. »Ihre kaiserlichen Majestäten, Franz I. Stefan und Maria Theresia!«
Wieder knallte der Stab hallend auf den Boden. »Der Thronfolger, Prinz Josef II .«
Eine Gasse bildete sich zwischen den Gästen. Die Damen machten einen Knicks, und die Herren verbeugten sich tief. Auch Gabriela beugte das Haupt. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie das Herrscherpaar kurz vor dem Orientalen stehen blieb. Offenbar tauschte man Höflichkeiten aus. Plötzlich lachte die Herrscherin, und auch der orientalische Gesandte wirkte amüsiert. Ob er wohl vom Hof des Sultans von Konstantinopel kam?
Schließlich gingen das Herrscherpaar und der Thronfolger weiter. Sie nahmen auf reich geschnitzten Sesseln Platz und auf einen Wink der Kaiserin begann das Orchester wieder zu spielen.
Verstohlen musterte Gabriela die Herrscherin. Sie sah ganz anders aus, als sie sich die Kaiserin vorgestellt hatte. Ihr Vater hatte Maria Theresia als eine zierliche, blasse Frau beschrieben, von deren Charme und Schönheit selbst die trotzigsten Magnaten aus dem Ungarnlande nicht unbeeindruckt blieben. Doch die Frau, die dort saß, wirkte ganz anders. Man konnte auf den ersten Blick erkennen, dass sie herrschte und nicht der viel ältere Franz Stefan. Sie war recht füllig, was bei der großen Schar von Kindern, denen sie das Leben geschenkt hatte, nicht weiter verwundern mochte. Ihr Kleid war eine Augenweide, doch keineswegs nach neuester französischer Mode geschnitten. Sie trug einen kleinen Reifrock und ihr Dekolleté war mehr als züchtig. Gesicht und Brust hatte sie gepudert und auf ihrer linken Wange klebte ein kleines, schwarzes Schönheitspflästerchen. Das Haar der Kaiserin war zu einer kunstvollen Turmfrisur drapiert, an der ihre Hofdamen gewiss Stunden gearbeitet hatten.
Gabriela grinste. Da hatte sie es schon leichter. Nach Husarenmode trug sie zwei kurze, geflochtene Zöpfe an den Schläfen und einen langen, mit einem schwarzen Seidenband gewickelten Zopf, der vom Nacken bis weit auf den Rücken fiel. Diese Frisur erforderte keinen großen Aufwand. Am frühen Abend hatte sie sich allerdings, auf Befehl des Generals, zum ersten Mal in ihrem Leben die Haare pudern lassen. Dies war notwendig, um bei Hof nicht unangenehm aufzufallen.
In Gabrielas Vorstellung war die Herrscherin fast eine zweite Kleopatra gewesen, wenn auch von keuscherem Lebenswandel und von strenger Gläubigkeit. Wie sehr hatte sie sich getäuscht! Die Frau auf dem Thron wirkte mütterlich und von den Schicksalsschlägen des Krieges gebeugt. Ganz anders der junge Prinz Josef! In den zwei Jahren seit dem Feuerwerk war er zum Mann geworden. Hochgewachsen und kerzengerade stand er neben dem Thronsessel der Mutter und betrachtete interessiert die Tanzpaare.
Kurze Zeit nachdem das Herrscherpaar gekommen war, konnte Gabriela beobachten, wie sich die ersten Gäste zurückzogen. Nun würde auch sie nicht unangenehm auffallen, wenn sie den Saal verließ. Gerade wollte sie sich von einigen Regimentskameraden verabschieden, als der Rittmeister von Graffenstein mit einer wunderschönen Dame an seiner Seite auf sie zukam, sodass ihr keine Möglichkeit blieb, ihm noch aus dem Wege zu gehen.
»Darf ich Ihnen nun als letzten unter meinen Regimentskameraden den jungen Unterlieutenant von Bretton vorstellen, werte Gräfin Lubomirskaja?«
Gabriela verbeugte sich steif.
Die Gräfin deutete einen Knicks an und lächelte freundlich. » Enchantée , Monsieur.«
»Ob Sie es glauben oder nicht, verehrte Gräfin«, fuhr von Graffenstein fort, »trüge er nicht die Uniform, man würde das Knäblein kaum für einen Husaren halten. Stellen Sie sich vor, er hat Angst vor den Frauen! Geniert sich vor ihnen, liebt und kennt sie in
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