Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
keiner Beziehung.«
»Tatsächlich?« Die Gräfin blickte verlegen. Offenbar war auch ihr das Gerede des Rittmeisters peinlich.
Gabriela spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Nervös räusperte sie sich. Sie sollte auf die Beleidigung des Rittmeisters etwas Passendes antworten, doch brachte sie kein Wort über die Lippen.
»Tanzen Sie?«, fragte die Gräfin höflich.
»Nein … tut mir leid«, brachte Gabriela mit Mühe hervor.
»Nun, hab ich es Ihnen nicht gesagt? Man sollte kaum glauben, dass ein Husar vor einem steht!« Von Graffenstein beugte sich vor und flüsterte der Lubomirskaja noch etwas ins Ohr, woraufhin diese lächelte und dem Rittmeister sacht mit ihrem Fächer auf den Ärmelaufschlag schlug.
Wütend blickte Gabriela den beiden nach. Sie hätte von Graffenstein bei dem Duell erschießen sollen! Bevor er noch weitere Gelegenheit fand, über sie zu spotten, würde sie gehen. Sie verließ den Ballsaal und trat auf einen langen Flur. Nach dem strahlenden Licht im Festsaal erschien es hier geradezu düster. Nur wenige Kerzen brannten an den Wänden und ließen die tiefen Nischen, durch die Türen zu angrenzenden Gemächern führten, fast wie Höhlen erscheinen. Mit energischen Schritten eilte sie der Doppeltür am Ende des Flurs entgegen. In einer der Nischen bemerkte sie flüchtig ein Pärchen.
Fast hatte sie schon das Ende des Korridors erreicht, als aus dem Dunkel eine Frauenstimme erklang. »Monsieur?«
Unentschlossen verharrte Gabriela. Wer zum Teufel mochte das sein? Die Gräfin Lubomirskaja? In der Türnische war nur ein Schatten zu erkennen. Gabriela trat ein wenig näher. Eine Hand schnellte vor. Sie wurde nach vorne gezogen, stolperte und stürzte in weiche Arme. Bevor sie etwas sagen konnte, versiegelte ein Kuss ihre Lippen. Fast im selben Augenblick spürte sie eine Hand zwischen ihre Beine fahren und kräftig zupacken.
»Ich wusste es!«, hauchte eine Stimme mit fremdem Akzent, begleitet vom leisen Klingeln von Silberschellen. »Du erschienst mir gleich als der interessanteste Mann in dieser faden Gesellschaft.«
»Bitte, Madame, verraten Sie mich nicht. Sie halten mein Leben in Ihren Händen, wenn … «
Zarte Finger strichen sanft über ihre Lippen. »Keine Sorge, meine Freundin. Dein Geheimnis wird bei mir so gut gehütet sein wie die Favoritin des Sultans in seinem Harem. Du wirst mir helfen, den langweiligen Winter in dieser grässlichen Stadt zu überstehen. Ich erwarte dich morgen zur fünften Mittagsstunde zum Tee. Komme zum Palais des Gesandten des Sultans, Achmet Effendi Resmi-Pascha. Ich bin gespannt darauf, deine Geschichte zu hören.«
Die Orientalin zog den Schleier hoch und steckte ihn wieder fest. Gabriela war immer noch völlig benommen. Oft hatte sie sich ausgemalt, auf welche Weise ihre Verkleidung eines Tages entdeckt werden würde. Doch dies …
Die Fremde trat aus dem Schatten der Nische und ging mit kleinen, tänzelnden Schritten den Gang hinauf, ohne sich noch einmal nach ihr umzuschauen.
Gabriela war am Boden zerstört. Ihr Geheimnis war entdeckt und das ausgerechnet noch von der Frau des Paschas! Das Verhältnis zu den Osmanen war alles andere als gut! Würde die Haremsdame versuchen, sie zu erpressen? Was mochte geschehen, wenn sie morgen nicht zum Tee erschien? Am besten sollte sie den General unter irgendeinem Vorwand darum bitten, umgehend wieder zum Regiment versetzt zu werden. Ja, das war die Lösung! Sie würde ihm sagen, dass es unweigerlich zu einem Duell mit von Graffenstein kommen würde, wenn sie noch häufiger den Provokationen des Rittmeisters ausgesetzt war. Nádasdy würde das sofort verstehen! Sie sollte schon heute Abend … Ein leises Hüsteln schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Ein dürrer, großer Mann stand vor ihr. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Gabriela erschrak bis ins Mark. Sie kannte ihn. Es war der Geheime Rat Schnitter, dem sie vor zwei Jahren im Park des Barons zu Gewitsch begegnet war!
»Es ist doch immer wieder erstaunlich, was sich während eines Balls auf diesem Flur alles ereignet. Ich finde es stets unterhaltendender, mich hier aufzuhalten als im Redoutensaal, wo keiner seine Maske fallen lässt.«
Gabriela nagte nervös an ihrer Lippe. Wie würde ein stolzer Husarenoffizier reagieren, wenn er in eine solche Lage kam? Er würde einem Feind stets die Stirn bieten! »Finden Sie es nicht beschämend, einem solch niederen Vergnügen nachzugehen? Und woher nehmen Sie die Unverfrorenheit, sich anschließend
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