Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
Onkels. Seit sie die Stadt betreten hatten, fiel ihr das Atmen schwerer, und sie hatte das Gefühl, dass hier, verborgen hinter einer von Hunderten trüben Butzenscheiben, eine Gefahr auf sie lauerte.
Auch die Familie Nádasdy unterhielt einen kleinen Palast in der Hauptstadt. Dort bezogen sie ihr Quartier. Nádasdy ließ all seinen jungen Offizieren ein gutes Stück Silber aushändigen und befahl ihnen, binnen fünf Tagen ihre abgetragenen Felduniformen durch Galauniformen aus guten Tuchen zu ersetzen, damit sie ihn als Ehrengarde auf die Hofburg begleiten konnten.
Begierig darauf, mehr von der Stadt zu sehen, machte Gabriela sich sofort auf den Weg, während ihre Kameraden noch zurückblieben, um sich in ihren Zimmern einzurichten und mit heißer Schokolade die Kälte des langen Ritts aus ihren Gliedern zu vertreiben. Unvorsichtigerweise lehnte sie es auch ab, einen der Hausdiener auf ihrem Ausflug mitzunehmen, denn sie wollte frei sein und bei dem Streifzug auf niemanden Rücksicht nehmen.
So besuchte sie den hochaufragenden Stephansdom, dessen düsteres Mittelschiff vollgestopft mit staubigen und zerfetzten Regimentsstandarten war, die hoch über den Häuptern der Gläubigen von vergangenen Dramen und Triumphen kündeten. Fast nur Frauen waren hier zur Andacht versammelt und kauerten leise betend vor dem im Licht Hunderter Kerzen glänzenden Marienaltar. Im Dom schien es noch kälter als draußen in den Gassen zu sein. Der Duft des Weihrauchs legte sich beklemmend auf Gabrielas Brust und nach einem hastig gemurmelten Ave Maria verließ sie eilends das Gemäuer, das ihr wie eine riesige Gruft erschien.
Danach machte sie sich auf die Suche nach einem Schneider und bedauerte erneut, nicht doch einen der Diener aus dem Winterpalais mitgenommen zu haben. Kaum dass sie nach einem Uniformschneider gefragt hatte, fand sie sich umringt von einer Bande schwatzhafter Händler und Tagediebe, die sich gegenseitig mit ihrem Geschrei überboten, sie zum besten Schneider der Stadt zu führen. Nur um dem Lärmen zu entgehen, vertraute sie sich schließlich einem hochgewachsenen, schwarzbärtigen Juden an, der eilends die Konkurrenz vertrieb. Er griff sie bei der Hand und zog sie durch ein Labyrinth von Gassen und Hinterhöfen, sodass sie schon bald jegliche Orientierung verloren hatte. Endlich hielt er vor einer niedrigen Holztür, von der in breiten Streifen die rotbraune Farbe abblätterte. Nach einigem Getuschel durch die verschlossene Tür wurde aufgesperrt, und ihr schwarz gewandeter Führer brachte Gabriela über eine enge hölzerne Stiege bis unters Dach hinauf. Dort hockte direkt neben einem eisernen Ofen ein buckliger, alter Schneider, der sie aufmerksam über die Ränder seiner trüben Brillengläser musterte. Der Raum war angefüllt mit allem, was man brauchte, um einen Offizier auszustatten. So türmten sich Ballen von kostbaren Tuchen. Es gab goldene Schnüre, Litzen und Fransen, Saffian, Dreispitze und mit Seide gefütterte Pelzmützen, Federbüsche, Quasten, ja selbst Sporen und Säbel für Offiziere führte der Schneider.
Gabriela hatte keinerlei Ahnung, was eine Uniform kosten mochte. Sie war sich fast sicher, dass man ihre Jugend und ihre Unwissenheit ausnutzen würde, doch überraschenderweise wurde von Geld gar nicht gesprochen. Der alte Schneidermeister nahm Maß und schickte ihren jungen Führer hinaus, gleich auch noch einen Schuster zu holen, damit sie auch neue Stiefel erhielt.
Drei Stunden verbrachte sie in der Dachkammer des Schneiders, und bereits am übernächsten Tage wurde ihr die fertige Uniform in das Palais des Grafen Nádasdy gebracht. Nie zuvor hatte sie sich in Kleidern so wohl gefühlt wie in diesen wunderbaren Stoffen. Das Beste jedoch waren die Stiefel, die sich gleich einer zweiten Haut an ihre Füße und Schenkel schmiegten. Das Geld, das sie vom Grafen erhalten hatte, überließ sie dessen Haushofmeister, und er wickelte für sie die Bezahlung ab, während sie sich an der neuen Uniform erfreute und auf ihre Dachstube zurückzog, um die prächtigen Kleider anzulegen. Der Uniformrock und die pelzgesäumte Husarenjacke waren aus grünem Stoff gearbeitet und mit goldener Verschnürung geschmückt. Ihre Hose war eng und von dunklem Blau, dazu kamen nachtschwarze, spiegelblank polierte Stiefel, die ebenfalls mit einer breiten Goldtresse abgesetzt waren.
Prüfend wog sie den Säbel in der Hand, den sie ausgesucht hatte. Er war um einiges leichter als die alte Klinge ihres Vaters und
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