Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
trefflich ausgewogen. Statt eines massigen Korbes schützte nur noch ein vergoldeter Bügel die Hand. Die Klinge aus feinstem Stahl war frisch mit Waffenöl eingerieben. Prüfend strich sie mit dem Daumen über die Schneide. Die Waffe war besser als die ihres Vaters, doch hätte sie den neuen Säbel dennoch ohne zu zögern sogleich gegen die verlorene Klinge eingetauscht und gar noch einen ganzen Jahressold draufgelegt, wenn sie ihres Vaters Säbel dafür zurückerhalten hätte. Traurig dachte sie daran, wie sie schon als Kind mit der Waffe ihres Vaters gespielt hatte, obwohl sie damals den Säbel selbst mit beiden Händen kaum zu heben vermochte. Auch der Geruch des Waffenöls erinnerte sie an die längst vergangenen Tage in dem kleinen Bauernhaus nahe Orschowa. Wie oft hatte sie dabei geholfen, wenn ihr Vater seine Waffen reinigte!
Traurig trat sie an das Fenster ihrer Dachkammer und blickte zum Stephansdom, der sich drohend schwarz über die Stadt erhob. In drei Tagen würde Nádasdy sie und die anderen Offiziere mit zu einem Empfang in die Hofburg nehmen. Gabriela wurde ganz schlecht, wenn sie nur daran dachte. Sie wusste nicht, wie sie sich dort verhalten sollte. Eine höfische Erziehung war ihr nie zuteilgeworden, und sie hatte schreckliche Angst, unangenehm aufzufallen oder durch eine Unachtsamkeit gar ihr Geheimnis zu verraten. Am meisten fürchtete sie aber die Frauen. Länger als ein Jahr hatte sie jeden Tag unter Männern verbracht. Würden sich die Hofdamen genauso leicht durch ihre Verkleidung täuschen lassen?
Alle Pracht des Redoutensaals der Hofburg hätte Gabriela nur zu gerne gegen eine einfache Bauernstube eingetauscht. Eine bedrückende Stimmung lastete über dem Ball, die selbst die munteren Melodien der Hofkapelle nicht zu vertreiben vermochten. Als Bruder des Kaisers war natürlich auch der Prinz Karl zu Gast. Der Streit zwischen ihm und Nádasdy war in den letzten Tagen noch weiter ausgeufert, weil der Prinz dem General Versagen in der Schlacht bei Leuthen vorgeworfen hatte. Er hatte bei einer Versammlung der Generalität erklärt, wenn Nádasdy den linken Flügel nur entschlossen genug verteidigt hätte, wäre es ein Leichtes gewesen, das preußische Heer durch einen Schwenk des Zentrums zu überflügeln und zu vernichten.
Gabriela, die selbst auf dem linken Flügel gestanden hatte und Zeugin des Angriffs geworden war, wusste nur zu gut, dass keine Macht der Welt die Preußen hätte aufhalten können. Doch wie stand es um die Kaiserin? Würde sie den Worten des Prinzen Glauben schenken? Wer würde gegen ihn sprechen, wenn er allein Nádasdy die Schuld an der Niederlage gab?
Auch aus ganz persönlichen Gründen hielt sich Gabriela im Hintergrund. Sie fürchtete, selbst dem Prinzen zu begegnen, der sie in Prag so freundlich aufgenommen hatte und sie als Offizier von den Nádasdy-Husaren abwerben wollte. Was würde er sagen, wenn er sie in der Uniform eines Unterlieutenants sah, wo er ihr doch einen höheren Rang angeboten hatte?
Rastlos wanderte ihr Blick über die Gäste hin zu den prächtigen Seidentapeten und den riesigen Kronleuchtern aus Bergkristall, auf denen Hunderte Kerzen brannten und die den Saal in gleißendes Licht tauchten. Endlich begannen doch einige Paare zu tanzen.
Offenbar gehörten Husarenoffiziere zu den begehrtesten Junggesellen, denn schon bald sah Gabriela all ihre Kameraden auf dem Parkett, während Nádasdy in einer Ecke bei einer Gruppe von Generälen und Hofministern stand. Obwohl es dort unerträglich heiß war, stellte sich Gabriela dicht an einen der weißen mit Goldlilien geschmückten Porzellanöfen und hoffte, dort in Ruhe gelassen zu werden. Sie hatte Angst, aufgefordert zu werden. Schon früher war sie keine gute Tänzerin gewesen und natürlich hatte sie niemals die Herrenschritte gelernt. Auch die Anwesenheit so vieler Frauen machte sie nervös. Jedes Mal, wenn sie einen Blick auf sich spürte, errötete Gabriela. Ganz besonders eine Dame in Begleitung eines Orientalen war ihr unheimlich. Sie trug einen eng taillierten, schwarzen Kaftan mit kostbaren Stickereien. Darunter eine weite Bluse und eine Pumphose. Ihre Füße steckten in perlengeschmückten, schwarzen Pantoffeln, und dünne Ketten mit winzigen Silberschellen wanden sich um ihre Knöchel. Das Gesicht der Orientalin war verschleiert, sodass nur ihre dunklen Augen zu sehen waren. Feingliedrige Ketten mit kleinen Silbermünzen fielen ihr von den Schläfen in die Stirn. Auch ihr breiter Gürtel
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