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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Dann würde er seinen Namen aus der Liste der Gefangenen streichen und ein Kreuz dahinter machen, sodass es aussah, als sei der Oberstzollmeister in Gefangenschaft gestorben.
    Im nächsten Frühjahr würde man ihn als Hauptmann der Artillerie gewiss wieder zum Felddienst einberufen. Schon jetzt bildete er neue Rekruten für eine Batterie aus. Wenn sein Nachfolger nicht sehr gewissenhaft überprüfte, was für Gefangene es gab, würde er kaum auf den Mann aufmerksam, der weitab von allen anderen in der Pulverkammer eingesperrt war. Es stand nicht in seiner Macht, den Oberstzollmeister einfach hinrichten zu lassen, dachte Gregorius, und einen solch kaltblütigen Mord könnte er auch nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, obwohl er dem Zöllner schon mehrfach mit seiner Hinrichtung gedroht hatte. In dieser Pulverkammer aber war Plarenzi lebendig begraben. Nie wieder würde dieser Schurke die Macht haben, Gabriela zu schaden.

1 7. KAPITEL
    Im Hof des Palais, das der Gesandte aus Konstantinopel bewohnte, war Gabriela bereits erwartet worden. Zwei prächtig gewandete schwarze Diener nahmen Nazli und führten die Stute in die Ställe. Es war schon fast dunkel. Etwas verloren sah sich Gabriela auf dem weiten Hof um. Es hatte zu schneien begonnen. Fast alle Fenster des Palais waren hell erleuchtet, doch nirgends war jemand zu sehen.
    Schließlich kam einer der Diener, die das Pferd genommen hatten, zurück und bedeutete ihr durch eine Geste, ihm zu folgen. Sie betraten den Palast durch eine unscheinbare Seitentür. Es war ungewöhnlich warm in dem Gebäude, ganz anders als im Palais des Grafen Nádasdy oder in der Hofburg. Selbst auf den Fluren standen hier farbenprächtige Kachelöfen. Es roch nach schweren Parfüms und Sandelholz.
    Endlich blieb der Diener, der Gabriela geführt hatte, vor einer verschlossenen Tür stehen und verneigte sich.
    »Soll ich dort hinein?«
    Der Mann antwortete nicht. Noch einmal verbeugte er sich tief, dann zog er sich zurück. Etwas verwirrt betrachtete Gabriela die Tür. Wäre Schnitter nicht gewesen, würde sie jetzt einfach gehen. Es ziemte sich nicht, einen Husarenoffizier der Kaiserin auf diese Weise zu behandeln!
    Sie hatte einige Augenblicke gewartet, als die Tür, wie von Geisterhand bewegt, aufschwang. Feuchte, warme Luft schlug ihr entgegen. Zwei hellhäutige Dienerinnen, die nur ein Seidentuch um die Hüften gewickelt trugen, erwarteten sie. Beides waren Mädchen, die kaum älter als sechzehn Jahre sein mochten. Sie hatten schwarzes Haar, auf dem ein leichter, roter Schimmer lag. Ihre Hüften waren üppig gerundet, die Brüste klein und wohlgeformt. Eine von ihnen trug einen silbernen Ring im linken Nasenflügel und einen zweiten im linken Ohr. Dazwischen hing ein dünnes Silberkettchen.
    Eine merkwürdige Art, seinen Schmuck zu tragen, dachte Gabriela und sah sich weiter um. Bis auf eine lange, mit feucht glänzendem Leder gepolsterte Bank und eine Reihe von Tonkrügen, die an einer Wand standen, war der Raum leer. Der Boden war mit einem merkwürdigen Mosaik aus verschlungenen Ranken und Blüten ausgelegt.
    Die Dienerin mit dem Silberkettchen bückte sich nun. Sie hob ein rotsamtenes Kissen auf, das hinter der Bank verborgen gewesen war und auf dem ein versiegelter Brief lag. Zunehmend verärgert trat Gabriela ein und griff nach dem Schreiben. Ihr Name stand auf dem Umschlag.
    Was sollte dieser Mummenschanz? Wollte man sie beeindrucken oder ängstigen? Sie zerbrach das Siegel.
    Liebe Freundin,
    ich bedauere zutiefst, dass ich Dich nicht selbst in Empfang nehmen konnte, doch bin ich noch aufgehalten. In meiner Heimat ist es üblich, dass Frauen sich nach einem Bade zu wichtigen Gesprächen treffen. Es wäre sehr freundlich von Dir, wenn Du diesem Brauch folgen würdest, und es wäre mir eine Erleichterung zu wissen, dass Dir die Zeit des Wartens auf angenehme Weise verkürzt wurde. Sei gewiss, dass ich sobald als möglich an Deine Seite eilen werde, und vergib mir die schlechte Kenntnis Deiner Sprache. So Vermag Ich Nur Unvollkommen Mein Bedauern Über Diese Verzögerung In Worte Zu Fassen.
    Möge Allah stets über Deinen Schritten wachen.
    Halime
    In dem Brief lag ein dünner Goldfaden. Unschlüssig rieb Gabriela den Faden zwischen den Fingern. Wenn es Halime möglich war, einen solchen Brief zu schreiben, warum hatte die Heidin sie dann nicht früher darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich das Treffen verschieben würde? Man wollte, dass sie in das Palais des Gesandten kam …

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