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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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brachte. Einige Stellen in dem Buch waren angestrichen. Vor allem die Seiten des Alten Testaments waren abgegriffen und fleckig, so als habe der Festungskommandant sie immer wieder gelesen. Die Patriarchen des Volkes Israel schienen ihm Vorbild zu sein.
    Wieder erzitterte das Dach unter der Wucht einer Sturmbö. Irgendwo klapperten ein paar lose Schieferschindeln und dort, wo bei Tag der schmale Lichtstreifen in ihre Kammer fiel, tropfte es jetzt in ihre Waschschüssel, die sie unter die undichte Stelle geschoben hatte.
    Unstet flackerte das Licht über dem letzten Kerzenstumpen, der ihr noch geblieben war. Wann Branko neue Lichter bringen würde, war ungewiss. Eine halbe Stunde noch, dann hätte die grausame Tyrannin Finsternis wieder einmal gesiegt. Dann blieb Gabriela nichts mehr zu tun, als auf ihrem Lager zu liegen und auf die gedämpften Geräusche der Welt dort draußen zu lauschen, von der sie nun schon so lange ausgeschlossen war.
    Das Wachs perlte an der honigbraunen Kerze hinab und sammelte sich auf dem breiten Messingfuß des Kerzenständers. Gabriela wartete einen Augenblick, bis es erkaltet war, dann schob sie ihren Daumennagel unter die Wachstränen, brach sie ab und hielt sie an die Flamme. So würde das Licht noch ein paar Herzschläge länger leuchten. Der Zugwind ließ die Kerzen schnell herabbrennen. Nur wenn es fast windstill war, erhob sich die Flamme aufrecht über dem Docht.
    Wie spät es wohl sein mochte? Es waren sicher schon Stunden vergangen, seit ihr Branko das Abendessen gebracht hatte. Längst war der Zapfenstreich geblasen worden. Sie sah zu dem blanken Teller hinüber. Sie hatte mit einem Brotkanten die Reste der Fleischsauce abgewischt. Obwohl ihr Onkel angedroht hatte, dass sie hier bei Wasser und Brot schmachten sollte, ließ er ihr gutes Essen bringen. Heute hatte es ein kaltes Stück Braten vom Rind und gekochtes Gemüse gegeben.
    Der Regen war stärker geworden. So als würden hundert Tamboure zugleich ihre Trommeln rühren, prasselten die Tropfen auf das Schieferdach und spielten ihr ein Nachtlied. Ihre Waschschüssel war jetzt fast voll. Wenn der Regen noch lange dauerte, hätte sie bald keine Gefäße mehr, in denen sie noch Wasser sammeln könnte.
    Ein Geräusch im stillen Haus ließ sie aufhorchen. Es klang wie schwere Schritte. Jemand war unten im Flur bei der Stiege, die zu ihrem Gefängnis führte. Sie lauschte angespannt, doch außer dem Regengeprassel und dem Knarren des Dachgebälks war jetzt nichts mehr zu hören. Hatte sie sich getäuscht? Nein! Da war das Geräusch wieder. Schritte! Jemand ging unten durch den Flur. Dann war es wieder still. Wer zum Henker mochte zu nachtschlafender Stunde noch auf den Beinen sein?
    Als die Schritte erneut erklangen, war Gabriela sich sicher, dass sie die Stiege hinaufkamen. Ob das ein Spuk war? Sie griff nach der Bibel neben ihrem Nachtlager und rückte bis ganz zur Wand zurück. Hätte sie nur ihre Pistolen … oder wenigstens den Säbel!
    Die Schritte verharrten vor ihrer Tür. Lichtschein war durch den Spalt über dem Boden zu sehen. Ein Schlüssel wurde in das Schloss geschoben.
    »Branko? Bist du es?«
    Statt einer Antwort heulte der Sturmwind um den Giebel. Sie hörte das leise Knirschen von Metall, als der Schlüssel umgedreht wurde. Lautlos schwang die Tür auf. Einen Herzschlag lang war Gabriela durch das Licht einer hellen Laterne geblendet. Dann erkannte sie die schattenhafte Gestalt.
    »Onkel?«
    Der General war gekleidet, als wolle er auf einen Ball am Hof der Kaiserin. Er trug eine frisch gepuderte weiße Perücke mit einem Zopf, der von einer schwarzen Schleife gehalten wurde. Dazu einen Dreispitz mit breitem Goldband, den weißen Offiziersrock mit roten Ärmelaufschlägen und Goldbesatz, eine lange rote Weste, rote Hosen und Schaftstiefel. Um die Taille war eine breite, goldene Schärpe geschlungen, und er hatte sogar seinen kurzen Offiziersdegen angelegt.
    »Geh hinunter in mein Zimmer! Du kannst dich für diese Nacht dort zur Ruhe begeben!«
    Gabriela starrte ihn an, unfähig sich zu rühren. Das helle Licht der Lampe ließ sie blinzeln. »Ist mein Arrest beendet?«
    »Ja! Heute Abend haben meine Offiziere eine Petition für dich eingereicht. Alle haben unterschrieben. In ihren Augen hast du die Ehre der Artillerie gerettet. Ich sehe das anders … Sein aufsässiger Geist hat das Leben deines Vaters ruiniert. Dir soll es nicht genauso ergehen. Dafür werde ich sorgen! Beherrsche dich, und wir werden keinen

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