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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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zerschmettert. Man würde sie erschießen müssen!
    Ängstlich blickte sich der Schotte nach Gabriela um. Sie lag ein kleines Stück weiter. Ein abgebrochenes Bajonett ragte aus ihrer Brust.
    »Nein!« Sir warf sich neben ihr auf die Knie. Ihre Uniform war von Blut durchtränkt. Mit zitternden Fingern öffnete er ihren Dolman und zerriss das Hemd darunter. Sie stöhnte.
    Unter dem Hemd kam ein handgroßes, geschnitztes Holzkreuz zum Vorschein. Es war etwas mehr als einen Finger dick. Schwach konnte man eine fast verblichene Jesusgestalt darauf erkennen. Und dort, wo man dem Heiland den Speer in die Seite gestoßen hatte, steckte das abgebrochene Bajonett. Nur die Spitze war durch das Holz hindurchgedrungen. Die Wunde, die Gabriela erlitten hatte, war kaum der Rede wert. Das Blut auf ihrer Uniform musste von den anderen Gefallenen rings herum sein.
    »Beim Heiligen Patrick«, murmelte Sir leise. »Das ist ein Wunder!«
    Gabriela schlug die Augenlider auf. Verwirrt blickte sie ihn an. Er schloss sie in die Arme. »Du lebst! Bei allen Heiligen, du lebst!«
    »Das … das kann nicht sein«, murmelte sie benommen. »Du irrst dich … «
    Sir hob sie auf. »Bei den Hörnern des Teufels, nein! Du bist voller Schrammen und wenn ich mir deine rechte Wange ansehe, hat wohl mal wieder jemand versucht, dir deinen Dickschädel einzuschlagen … Aber es gibt keinen Zweifel! Du lebst und hast nichts abbekommen, was nicht binnen einer Woche verheilt wäre!«
    Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Tränen rannen ihr über die Wangen. »Warum darf ich nicht in Ehren sterben?«
    Sir drückte sie fest an seine Brust. »Was sagst du da? Dich scheinen Sie wohl doch ernsthaft am Kopf getroffen zu haben.« Er lachte leise.
    Gabriela war noch ganz benommen von dem Jubel, mit dem man sie gefeiert hatte. Selbst der Feldmarschall hatte ihr gratuliert. Jetzt war sie froh, sich ein wenig abseits niederzulassen. Sie brauchte Ruhe, um nachzudenken.
    Kaum hatte sie sich gesetzt, da erschien Schnitter und nahm neben ihr Platz. »Ich gratuliere, Herr von Bretton. Ihr Name ist in aller Munde. Man nennt Sie gar einen zweiten Winkelried, nach dem Schweizer, der sich vor vierhundert Jahren in der Schlacht bei Sempach in die Lanzenphalanx der Söldlinge des Herzogs Leopold von Österreich warf und so eine Bresche schlug. Schade, dass Sie ihm nicht in allem nacheiferten! Er hat seine Heldentat mit dem Leben bezahlt.«
    »Ich habe mir alle Mühe gegeben … « Sie starrte den Geheimen Rat verbittert an.
    »Und dabei sind Sie zum Helden geworden. Der Feldmarschall selbst will Sie zur Nominierung für das Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens vorschlagen. Wissen Sie schon, dass der russische Oberbefehlshaber Saltykow Sie für morgen an seine Tafel geladen hat? Durch Ihre Heldentat sind Sie unberührbar geworden, Frau Plarenzi. Gestern noch waren Sie nur ein Oberlieutenant, wie es ein paar Hundert gibt … Heute sind Sie der Held von Kunnersdorf. Vielleicht will sogar die Kaiserin Sie sehen.« Der Geheime Rat lächelte sie böse an. »Für dieses Mal haben Sie Ihren Kopf aus der Schlinge gezogen. Aber nichts ist vergänglicher als Ruhm, von Bretton. Seien Sie sich gewiss: Meine Stunde wird noch kommen!«

2 3. KAPITEL
    Nach der Schlacht bei Kunnersdorf erzählte man sich, der Preußenkönig habe, nachdem seine Armee schon geschlagen war, ganz allein auf einem der sandigen Hügel gestanden und darauf gewartet, dass auch ihn eine Kugel fand. Zwei Pferde waren unter ihm erschossen worden. Eine Kugel, die ihn tatsächlich traf, war durch die Tabaksdose in seiner Tasche aufgehalten worden. Schließlich rettete ihn der Husarenrittmeister Joachim Bernhard von Prittwitz vom Schlachtfeld. Die Armee des Königs war zerschlagen. Die Feinde standen nur wenige Meilen von Berlin, doch der russische General Saltykow überschritt mit seiner ausgebluteten Armee nicht die Oder. An seine Zarin schrieb er: »Der König von Preußen pflegt seine Niederlagen teuer zu verkaufen; noch einen solchen Sieg, und ich werde die Nachricht davon, mit dem Stabe in der Hand, allein zu überbringen haben.«
    Trotz einer weiteren Niederlage im November wollte Preußen nicht kapitulieren und über den Winter vollbrachte Friedrich noch einmal das Wunder, eine neue Armee aufzustellen. Wegen der schrecklichen Verluste der vergangenen Jahre mieden alle Seiten nun große Entscheidungsschlachten. Der Krieg wurde zu einer endlosen Reihe zermürbender Märsche, um den Feind in eine ungünstige

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