Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
Magister Gregorius wollte ein kleines Feuerwerk abbrennen, um ihm ein paar neue Sprengkörper zu zeigen, die die Engländer aus Ostindien nach Europa gebracht hatten. Er musste zum Fest gesund sein!
Und dann noch die Sache mit Gabriela. Ohne Zweifel war es Fra Anselmus, dem Abt der Jesuiten, ernst mit seinem Wunsch, Gabriela zu sehen. Doch würde das törichte Mädchen auf ihn hören? Und was geschah, wenn Anselmus ein schlechtes Bild von ihr bekam, weil sie sich wieder einmal so störrisch wie ein Esel benahm? Würde er dann wirklich die Inquisition verständigen?
Von Bretton verfluchte sich dafür, mit dem Geistlichen gesprochen zu haben. Doch er hatte mit jemandem reden müssen! Länger vermochte er diese drückende Last nicht mehr zu ertragen. Der alte Offizier seufzte und schlüpfte in seinen Uniformrock, den er neben dem Ofen aufgehängt hatte. Angenehm warm schmiegte sich der Stoff an seine Schultern. Er tastete in der Tasche nach der kleinen, silbernen Schnupftabaksdose. Vorsichtig häufte er zwei Prisen auf seinen Handrücken und sog sie in die Nase. Eilig tastete er nach seinem Taschentuch, während sich in seiner Nase ein teuflisches Prickeln ausbreitete. Von Bretton hielt die Luft an und kniff mit der Linken die Nasenflügel zusammen. Endlich bekam er sein Schnupftuch zu packen und riss es hoch. Mit der Gewalt eines Kanonenschusses erleichterte er sich in das Leintuch. Das hatte gutgetan. So würde er die Krankheit aus seinem Schädel schnäuzen, bevor sie sich dort festsetzen konnte. Nachdenklich betrachtete er den grünbraunen Schleim im Taschentuch, als sei er ein geheimes Orakel, aus dem er lesen konnte, was das nächste Jahr bringen mochte.
Er würde niemals dulden, dass sie seiner Nichte etwas antaten. Sicherlich brachte sie sein Leben durcheinander, und doch war es ein Stück weit so, als sei mit ihr sein Bruder zu ihm zurückgekehrt. Damals, als Carolus zusammen mit Trenk und einigen anderen Pandurenoffizieren vor dem Militärgericht stand, hatte er nichts unternommen, um seinem Bruder zu helfen. Zu frisch war die Erinnerung an ihren Streit gewesen. Dabei war er sich sicher, dass Carolus nichts Unrechtes getan hatte. Er war ein guter Offizier. Es hatte keine Gelegenheit mehr gegeben, sich vor seinem Tod mit ihm zu versöhnen. Das war der Grund, warum er so viel Geduld mit Gabriela hatte. Er würde seine alte Schuld bei ihr abtragen, auch wenn ihn das an den Rand der Verzweiflung bringen sollte.
Er seufzte wieder. Es war sein Schicksal, dass ihm die Weiber nichts als Ärger bereiteten. Von Bretton dachte an Juliette. Es war höchste Zeit, sie zu besuchen. Zu lange war er schon nicht mehr bei der Baronesse gewesen. Er nahm den schweren Kerzenständer vom kleinen Tisch neben seinem Bett und trat aus seiner Kammer. Kein Laut regte sich im Haus, als er leise schnaufend die Stiege zum Dach erklomm.
Warum hatte sich dieser verfluchte Zeilitzheim in ihren Streit einmischen müssen! Fluchend stapfte Gabriela die enge Gasse hinauf, die zur Kommandantur führte. Eisiger Wind sang um die schiefen Dachgiebel der Bürgerhäuser und brannte auf ihren Wangen. Wäre dieser Fähnrich nicht gewesen, dann hätte sie heute Abend auf immer dafür gesorgt, dass man Gabriela in Ruhe ließ und dass ihr Onkel ganz gewiss keinen Mann mehr fand, dem der Sinn danach stand, sie zu ehelichen. Doch jetzt … Nur einen Feind hatte ihr das eingebracht. In Zukunft sollte sie sich hüten, wenn sie sich in der Maske Caspars in der Stadt aufhielt. Birtok würde sicherlich vor keiner Schandtat zurückschrecken, um seinen verletzten Stolz wiederherzustellen. Naja, vielleicht hatte sie ja auch Glück, und der Hauptmann ließe sich doch noch auf ein Duell ein?
Eine Bewegung in einem finsteren Hauseingang vor ihr ließ sie verharren. Ihre Hand glitt zum Griff des Säbels. »Wer dort?« Sie presste sich mit dem Rücken an eine Hauswand und spähte argwöhnisch in die Finsternis. Vielleicht lauerte der Hauptmann ihr zusammen mit seinen beiden Kameraden auf?
In dem Hauseingang vor ihr glühte ein rotes Auge auf. Nein, es war eine Pfeife. Die Gestalt trat aus dem Schatten und stellte sich mitten auf den Weg. »Keine Sorge, mein Freund! Ich bin dir nicht übel gesonnen. Oder sollte ich vielleicht lieber meine Freundin sagen?«
Gabriela schluckte. Es war zu dunkel, um erkennen zu können, wer dort vor ihr stand. Ihre Hand schloss sich fester um den Griff des Säbels. Woher zum Henker kannte der Kerl ihr Geheimnis?
»Nun, edle Dame, du
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