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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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meine eigene Mutter mich nicht wiedererkannt hätte. Wir sind einander also nichts mehr schuldig!« Gabriela raffte ihre Röcke und eilte die schmale Treppe hinunter, die vom Wehrgang auf die Webergasse führte. Der Feuerwerker blieb auf der Mauer stehen und sah ihr nach. Auch wenn sie sich nicht nach ihm umdrehte, glaubte sie seine Blicke in ihrem Rücken zu spüren.
    Entschlossen bog sie in die erste Gasse ab, die von der Mauer weg zum Marktplatz führte. Gabriela musste an den Pakt denken, den sie mit dem Feuerwerker geschlossen hatte. In jener Nacht nach dem Streit in der Schänke hatte er sich wirklich aufgeführt, als würden sie ein Geschäft abschließen. Ihr Preis war, dass sie sich ihm offenbarte. Und er hatte viele Fragen gestellt … Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Kein normaler Mensch hätte so ein Geschäft gemacht! Damals hatte sie das alles für einen Spaß gehalten, den sich dieser undurchsichtige Kerl mit ihr machte. Aber jetzt war sie sich nicht mehr so sicher …
    Das jämmerliche Blöken eines Schafes riss sie aus den Gedanken. Sie war in der Gasse der Schlachtermeister. Man hatte einen frisch geschorenen Hammel an seinen Hinterläufen gebunden und über einen Seilzug hochgezogen, sodass er hilflos strampelnd in der Luft hing. Während der Geselle das Seil an einem Balken festband, stand der Schlachter neben dem Schaf und wetzte ein langes Messer. Schließlich prüfte er die Schneide mit dem Daumen und durchtrennte dann mit einem raschen Schnitt die Kehle des Tiers. Sprudelnd pulste das Blut aus der Wunde. In der kalten Luft dampfte es wie das Wasser einer heißen Quelle. Das meiste Blut spritzte in einen Holzeimer. Nur wenig ging daneben und färbte den grauen Schneematsch auf der Straße dunkelrot. Das Blöken des Hammels war zu einem schwachen Gurgeln geworden. Ein magerer Hund kam die Gasse hinaufgelaufen und fraß mit gierigen Bissen den blutigen Schnee.
    Das Schaf strampelte kaum noch. Mit jedem Atemzug wurden seine Bewegungen schwächer. Mit dem Blut rann das Leben aus seinem Leib. Gabriela musste an die Aderlässe Strabens denken. Waren sie es, die ihrem Onkel das Leben abzapften? Würde der Kommandant wieder zu Kräften kommen, wenn man dem alten Chirurgen den Zutritt zu seiner Kammer verwehrte?
    »Ein Stück Hammelkeule, gnädige Frau? Sie sehen ja, es ist ganz frisch. Ich lass es Ihnen von meinem Gesellen bringen, wenn das Fleisch richtig ausgeblutet ist.«
    »Nein, danke.« Gabriela winkte ab. Nachdenklich ging sie die Straße hinunter. Vielleicht sollte sie einen der anderen Ärzte der Garnison befragen? Doch würde es einer der Männer riskieren, die Methoden des alten Straben in Frage zu stellen?
    »Sie hätten mir nicht die weitere Behandlung verweigern dürfen, gnädiges Fräulein. Die Wissenschaft von der Heilkunde ist kein Kinderspiel!« Straben griff nach der Hand des Generals und fühlte seinen Puls. »Wie lange schläft er schon?«
    »Seit zwei Tagen. Ich dachte … «
    »Das Denken sollten Sie besser den Pferden überlassen, Fräulein von Bretton, die haben einen größeren Kopf. Ihrer dient offenbar nur dazu, dass Ihr hübsches langes Haar einen Halt hat. Ich kann fast keinen Puls mehr fühlen. Er ist auch ganz kalt. Warum zum Henker haben Sie mich nicht rufen lassen? So liegt er doch nicht erst seit einer Stunde hier! Haben Sie denn nichts bemerkt … «
    »Ich habe geglaubt, der Schlaf würde ihm guttun. Er würde neue Kräfte sammeln … Schließlich ist das Fieber ja auch zurückgegangen.«
    »Das Fieber … das Fieber … Wenn die eisige Hand des Todes zugreift, dann gibt es kein Fieber mehr.« Der alte Arzt holte eine Spiegelscherbe aus der abgewetzten Ledertasche, in der er seine Instrumente verwahrte, und hielt sie dem Festungskommandanten vor die Lippen. Das kalte Glas beschlug. »Na, wenigstens atmet er noch … Das heißt, es ist noch Zeit. Holen Sie den Abt herein, Fräulein. Er soll mit der letzten Ölung beginnen.«
    »Aber mein Onkel ist doch … «
    »Versuchen Sie nicht schon wieder, mir zu erklären, wie ich meinen Beruf auszuüben habe. Ich weiß, was ich tue! Und nun hinaus mit Ihnen!«
    Gabriela schluckte ihre Wut herunter und ging zur Tür. Der Jesuitenabt wartete bereits auf dem Flur. Mit ihm war ein junger Mönch gekommen. Auch die ranghöchsten Offiziere der Garnison hatten sich versammelt. Zwei Mitglieder vom Rat der Stadt waren ebenfalls dort. Schlechte Nachrichten haben Flügel, hatte ihr Vater immer gesagt. Noch nie war Gabriela die

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