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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ihrem Onkel alleine lassen!
    So kurz nur hatten sie einander gekannt. Sie schluckte bitter. Die Wochen, die er sie in der Dachkammer eingesperrt hatte, konnte sie ihm nicht vergeben, und doch fühlte sie fast wie eine Tochter für ihn. Hätten sie sich nur weniger gestritten!
    Ein Geräusch ließ sie aufschrecken. Geigenspiel! Was war das … Es klang erst leise wie aus großer Ferne und schwoll dann langsam an. Jetzt erklangen auch Hörner. Der Abt und der Mönch sahen sich verwundert an. Straben war der Erste, der ans Fenster trat.
    »Sapperlot! Das gibt es doch nicht!«
    Gabriela stand auf.
    »Was gibt es nicht«, fragte Fra Anselmus streng.
    Jetzt erreichte auch Gabriela das Fenster. Weiße Eisblumen wucherten auf den Scheiben. Der alte Straben hatte so lange auf das Glas gehaucht, bis ein Teil der Eisblumen geschmolzen war, sodass man nach draußen sehen konnte. Noch immer spielte die Musik. Jubilierende Flöten lösten die Hörner ab.
    Auf dem Hof vor dem Fenster hatte sich die Kapelle versammelt, die zum Feuerwerk spielen sollte. Die Männer waren dick in Wintermäntel gehüllt und selbst im grauen Mittagslicht konnte Gabriela erkennen, dass ihre Gesichter und Hände rot vor Kälte waren. In kleinen Wolken stand ihnen der Atem vor den Mündern.
    Anselmus nahm den Arzt zur Seite und öffnete das Fenster. »Im Namen des Herren, wie könnt ihr solch fröhliche Musik spielen, wo der General im Sterben liegt? Hört sofort auf und schert euch davon, ihr herzloses Gesindel! Wer hat euch nur diese gottlose Idee eingegeben?«
    »Das war ich!« Gabriela sah eine Gestalt aus dem Schatten der Hauswand treten. Ein Mann in abgewetztem Mantel mit einer Pelzmütze auf dem Kopf. Magister Gregorius, der Feuerwerker. »Spielt weiter, Männer! Hört nicht auf diesen schwarzen Raben, den es nur an das Lager der Kranken zieht, weil er darauf spekuliert, Sterbenden noch in ihrer letzten Stunde ein Stück Silber für die Kirchenkasse abzuschwatzen. Dieser Aasfresser hat euch nichts zu befehlen. Ich weiß, von Bretton wird sich freuen, wenn er euch hört. Das ganze letzte Jahr hat er nur für das Feuerwerk gelebt! Nun zeigt ihm euren Dank!«
    Einige der Musiker hatten ihre Instrumente abgesetzt und blickten ängstlich zum Abt empor. Die meisten jedoch spielten unverdrossen weiter. Gabriela erkannte jetzt auch die Melodie. Es war das Händelstück, das sie zum großen Feuerwerk spielen sollten und an dem die Kapelle schon seit Wochen geprobt hatte.
    »Hört sofort zu spielen auf, gottloses Gesindel, oder ich verspreche euch, ihr alle werdet die strafende Hand der Kirche zu spüren bekommen. Wisst ihr, was es bedeutet, einen Priester an der Ausübung der Sakramente zu hindern? Dafür könnt ihr alle exkommuniziert werden!« Laut hallte die Stimme des Abtes von den Wällen des Hofes wider. Er sprach in einem Tonfall, als stünde er in der Kanzel hoch über einer sündigen Gemeinde. Immer leiser wurde die Musik. Einer nach dem anderen hörte auf zu spielen.
    »Kuscht doch nicht vor dieser aufgeplusterten Krähe!« Gregorius riss dem Kapellmeister seinen Stab aus der Hand und versuchte die wenigen, die noch spielten, selbst zu dirigieren.
    »Denkt an die Macht der Kirche«, drohte der Abt mit donnernder Stimme. »Ihr seid hier in gut katholischen Landen!«
    »Seht nur!«, unterbrach Straben den Streit. »Der General!« Von Bretton hatte die Augen aufgeschlagen. Sofort stürzte Gabriela an sein Lager. »Bitte … spielt weiter.« Anfangs war seine Stimme kaum mehr als ein unverständliches Flüstern, doch langsam gewann sie an Kraft. »Die Kaiserin hat mich beauftragt, … ihr hier in Olmütz eine Festung zu bauen. Ich habe mein Werk fast vollendet. … Lasst mich nun die von mir gewählten Schlussakkorde hören. Sie sollen spielen … Dies ist mein letzter Wunsch auf Erden. Wenn es mir schon nicht vergönnt ist, in Stiefeln auf dem Schlachtfeld zu sterben, wie es die höchste Ehre meines Standes ist. Die Festung ist bereit, … der letzte Stein gesetzt, nun lasst mich hören, ob die Musiker, die ich erwählt habe, es verstehen, ihre Töne wohl zu setzen.« Er seufzte leise. »Mir blieb die Arbeit … Für das Fest muss ich mich wohl … entschuldigen.«
    »Nicht, Onkel! Ihr dürft nicht sterben!« Gabriela drückte seine Hand fest an ihre Brust.
    »Nehmt Euren Befehl zurück, General!« Der Jesuitenabt verließ seinen Platz am Fenster und trat neben das Bett. »Wenn Ihr die Kapelle spielen lasst, verhöhnt Ihr mich und mein Urteil. Und wer

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