Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
Euren Mund ergießen werden, freien Lauf, wenn Ihr für den Kommandanten ein Gebet sprechen wollt.«
Der Abt gab seinem Ordensbruder einen Wink, woraufhin der junge Mönch das Kästchen auf dem Boden absetzte, es öffnete und ein in Schweinsleder gebundenes Gebetsbüchlein hervorholte. Gabriela konnte dabei auch ein kristallenes Fläschchen sehen, das auf einem Polster aus blauem Samt ruhte. Golden schimmerte das geweihte Öl darin. Ein Stich durchfuhr bei dem Anblick ihr Herz.
Anselmus nahm das Büchlein entgegen, das sein Ordensbruder ihm reichte. »Sollen wir die Tür jetzt nicht lieber schließen, gnädiges Fräulein? Mich dünkt, dort draußen warten mehr Fremde als Freunde.«
Zögernd stand Gabriela in der Tür und betrachtete die Männer, die sich versammelt hatten. Sogar Birtok war gekommen. Und dann plötzlich wusste sie, was zu tun war. »Bleibt Ihr nur an der Seite meines Onkels, Herr Abt. Ich werde hier und auf meine Weise um das Leben des Generals ringen.« Sie erhob die Stimme. »Meine Herren!« Die leisen Gespräche verstummten. Alle drehten sich zu ihr um. Deutlich konnte man in ihren Gesichtern lesen. Viele schienen teilnahmslos. Gabriela musste bei ihrem Anblick an die Raben in den Bergen ihrer Heimat denken. Manchmal waren sie schon zur Stelle, bevor ihre Beute verendet war. Schwarz wie ein Jesuitenrock war ihr Gefieder … Sie schluckte. Warum gelang es ihr nicht einmal in dieser Stunde, solch schändliche Gedanken aus ihrem Hirn zu tilgen?
Einige der Offiziere vermochten ihre Betroffenheit nicht zu verbergen. Es waren sämtlich junge Männer wie von Zeilitzheim. Zu ihnen war ihr Onkel großmütig wie ein väterlicher Freund gewesen.
Ärgerlich bemerkte Gabriela, dass Gregorius sich nicht unter den Trauergästen befand. Dabei hatte ihr Onkel ihn fast wie einen Sohn aufgenommen!
»Meine Herren«, wiederholte Gabriela noch einmal, als sie sicher war, dass alle ihr zuhörten. »Ich weiß, dass die meisten von Ihnen meinen Onkel schon seit vielen Jahren kennen, und gar manchem hier hat er wohl mehr als nur einen Dienst erwiesen. Nun möchte ich Sie im Namen des Freiherrn um einen Dienst bitten. Kniet nieder mit mir und betet, denn nur unser Glaube in Gott vermag den General noch zu retten.«
Gabriela zuckte zusammen, als sich hinter ihr die Tür zum Krankenzimmer öffnete. Das Antlitz des Abtes erschien in dem schmalen Spalt. Anselmus wirkte erschöpft.
»Würdet Ihr bitte hereinkommen, Fräulein von Bretton.« Die Betenden blickten fragend auf, doch der Jesuitenabt ignorierte sie einfach.
Mit einem Seufzer erhob sich Gabriela. Ihre Knie schmerzten. Fast wünschte sie, dass alles ein Ende hatte. Die Qual ihres Onkels … das Warten …
Der Jesuit wartete, bis sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte. Seine Stimme war nur ein heiseres Flüstern, so als fürchte er etwas in dem stickigen kleinen Zimmer. »Ich habe Ihrem Onkel die letzte Ölung gegeben. Sein Atem geht immer schwächer. Der Arzt glaubt, dass der General noch vor der Abenddämmerung sterben wird. Er ist nicht mehr zu sich gekommen. Wenn Sie an seiner Seite sein wollen … « Er wies zu dem Stuhl neben dem Bett, auf dem sie schon so viele Stunden gesessen hatte.
Gabriela blickte zum Fenster. Der Himmel war grau und wolkenverhangen. Man konnte nicht sagen, welche Tagesstunde es war und wie lange die Frist, die Straben ihrem Onkel noch geben mochte, wohl währen würde.
Der Abt schien ihren Blick bemerkt zu haben. »Die Glocken des Doms haben vorhin zur zweiten Mittagsstunde geläutet.«
Jetzt erst fiel Gabriela der leichte Weihrauchduft auf, der im Zimmer hing. Er machte die Atmosphäre noch bedrückender. Dieser Geruch gehörte hier nicht hin! Fast war sie wütend darüber. Nach Waffenfett sollte es hier riechen oder kaltem Pulverrauch. Auch nach Pferdeställen oder dem alten Pergament der Karten, die ihr Onkel so oft studiert hatte. Nach Mörtel und frisch gebackenen Ziegeln wie die Befestigungen, die der General in Olmütz errichtet hatte. Doch Weihrauch? Nein, das war kein Geruch, der zu ihrem Onkel passte, auch wenn er noch so fromm gewesen war.
Müde ließ sie sich auf den Stuhl neben dem Bett nieder. Das Gesicht des Generals wirkte entspannt, fast friedlich. Sie griff nach seiner Hand. Ganz kalt waren seine Finger, so als fiele schon der Schatten des Sensenmannes auf ihn. Hinter ihr murmelten Anselmus und sein Ordensbruder leise ein Gebet. Die fremden Worte klangen bedrohlich. Gabriela wünschte, man würde sie mit
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