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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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tödlich sein mag.«
    Zum ersten Mal lächelte der Geheime Rat wirklich. »Gewiss, die habe ich, schließlich bin ich nur ein Mann aus Fleisch und Blut. Doch mache ich im Gegensatz zu Siegfried nicht den Fehler, einer Frau über meine Schwachstellen etwas zu erzählen.«

1 4. KAPITEL
    Der Erzbischof hatte es sich nicht nehmen lassen, am Morgen des Pfingstsonntags höchstselbst auf der Kanzel zu stehen. Seine Predigt war gespickt mit Spitzen gegen Männer, die wähnten, sie können versuchten, sich mit Gott zu messen, indem sie Dinge taten, die Menschen nicht zu Gesichte standen. Es bedurfte keines großen Scharfsinns, dachte Gabriela, um hinter den Worten des Erzbischofs die Anklage gegen den Feuerwerker Gregorius zu erkennen. Sie hatte jedoch nicht lange genug in Olmütz gelebt, um alle Spitzfindigkeiten seiner Predigt durchschauen zu können.
    Offenbar hielt sich der alte Erzbischof noch zurück, denn der junge Kronprinz Josef hatte am vorangegangenen Abend bei einem Empfang in der Stadt erklärt, wie sehr er Feuerwerke liebte. Der fünfzehnjährige Knabe saß nun in der ersten Reihe der Kirchenbänke auf der anderen Seite des Mittelganges. Aus den Augenwinkeln spähte Gabriela zu ihm hinüber. Wie ein ganz normaler Junge sah er aus. Ein wenig zu blass und schlank vielleicht. Es war schwer, sich vorzustellen, dass er eines Tages einer der mächtigsten Herrscher Europas sein würde. Ob seine Majestät wohl wusste, dass keine dreißig Schritt von dem Platz, an dem er nun saß, einst in der Domdekantei das Blut des sechszehnjährigen Königs Wenzel III . vergossen worden war? Er war der letzte König Böhmens gewesen.
    Gabrielas Blick wanderte zurück zur Kanzel, auf der der Erzbischof in seiner golddurchwirkten Robe stand. Er war ein kleiner Mann, und seine riesige Tiara betonte seine Schmächtigkeit. Dennoch lauschten ihm fast alle mit gebeugten Häuptern.
    Eine Wolke von Weihrauch stieg Gabriela in die Nase. Sie biss sich auf die Lippen und musste fast niesen. Endlich war der Erzbischof fertig mit seiner Predigt. Der Knabenchor sang noch ein Ave Maria, die Gemeinde betete, und dann war die Messe zu Ende.
    Gabriela hatte den Rat Schnitters befolgt und sich diesmal sehr dezent gekleidet. Eine fein bestickte Stola bedeckte ihre Schultern. Die Würdenträger, die auf den ersten Bankreihen Platz genommen hatten, waren auch die Ersten, die den Dom wieder verließen. Die Magistrate, Handwerksmeister und reichen Bauern hatten, abgestuft nach ihrer Wichtigkeit, die hinteren Reihen belegt und verdrehten sich nun die Hälse, um einen Blick auf den Kronprinzen zu erhaschen.
    Vor dem Hauptportal stauten sich die Kirchgänger. Auf dem Platz vor dem Dom hatten sich Hunderte Schaulustige versammelt, die Ihre Majestät mit lauten Jubelrufen hochleben ließen, als der Kronprinz aus der Kirche trat. Die Füsiliere der Festung bildeten ein Spalier, um die Menschenmengen zurückzuhalten, damit die vergoldete Kutsche des künftigen Königs und Kaisers vorfahren konnte. Schneeweiß leuchteten die breiten Bandeliers der Patronentaschen auf den wolfsbraunen Uniformen der Soldaten in der strahlenden Frühlingssonne. Jeder Knopf an ihren Uniformen war poliert und glänzte wie lauteres Gold, dennoch wirkten sie fast schäbig gegen die prächtigen Husaren, die die Kutsche des Prinzen eskortierten. Sie alle ritten auf ausgesuchten Pferden und trugen stolz ihre hohen Pelzmützen zur Schau. Dolman und Pelz waren himmelblau mit gelber Verschnürung. Die leuchtend roten Hosen verschwanden in gelben Stiefeln. Alle Reiter hatten frisch gewichste Schnauzbärte, deren gezwirbelte Enden bis weit über die Mundwinkel herabhingen. Ihre Haare waren zu drei Zöpfen geflochten. Zwei schützten rechts und links die Schläfen, der Dritte fiel bis weit in den Nacken hinab. Sie erinnerten Gabriela an ihren Vater, auch wenn keiner von ihnen so stattlich war wie er.
    Gerade wollte sie zu ihrem Onkel hinübergehen, der inmitten einer Gruppe von Offizieren ein wenig abseits des Portals stand, als sie plötzlich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Die feinen Härchen an ihren Armen richteten sich auf. Fast war ihr, als habe sie eine kalte Hand berührt, so intensiv spürte sie den fremden Blick. Mit klopfendem Herzen musterte sie die Gesichter der Menschenmenge, doch fiel ihr niemand auf, der auffällig zu ihr herüberstarrte.
    »Fräulein von Bretton?« Der junge von Zeilitzheim trat an ihre Seite. »Der Herr General erwartet Sie. Seine Kutsche wird jeden

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