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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Nachdem damit der Etikette Genüge getan wäre, gestatten Sie mir anzumerken, dass Sie für eine junge Dame eine recht eigenwillige Lektüre gewählt haben. Finden Sie es erbaulich, den Lebensweg eines solchen Schurken, wie der Bärnhäuter Simplicius einer war, zu verfolgen?«
    »Das Buch ist allemal erbaulicher als ein unerquickliches Gespräch, das einem aufgezwungen wird.« Sie bedachte den Geheimen Rat mit einem koketten Lächeln. »Doch bin ich Ihnen dankbar, lieber Herr Schnitter, dass Sie mich zum Mahl gerufen haben. Finden Sie nicht auch, dass nichts besser für den Appetit ist als ein frischer Frühlingstag?«
    »Leider war es mir bislang nicht vergönnt, den Tag zu genießen«, entgegnete der Hofbeamte trocken. Er hielt ihr seinen Arm hin. »Wenn es Ihnen nun beliebt, mich zu begleiten?«
    »Oh! Bin ich nun wegen ungebührlicher Lektüre arretiert?«
    »Verhaftungen nehme ich nur auf direkten Befehl der Kaiserin vor.« Er blickte auf ihr Dekolleté. »Auch wenn Sie meinen Rat nicht schätzen, junge Dame, möchte ich Ihnen doch nahelegen, falls Sie jemals nach Wien kommen sollten und zu Gast bei Hofe sind, sich etwas diskreter zu kleiden. Ihre Majestät, die Kaiserin, schätzt es nicht, wenn die Unzucht in ihrer Umgebung Einzug hält. Wenn Sie sich kleiden wie eine der leichtlebigen Tänzerinnen, so mag Sie vielleicht auch ein ähnliches Schicksal ereilen.«
    »Und was macht man mit diesen bedauernswerten Geschöpfen?«
    »Es ist noch nicht ganz vier Wochen her, dass ich eine dieser unkeuschen Venusanbeterinnen in ein Kloster nach Temeswar habe bringen lassen. Dort wird sie den Rest ihrer Tage verbringen und Gelegenheit haben, darüber nachzudenken, was es heißt, die Kaiserin zu brüskieren!« Schnitter hatte sich regelrecht in Rage geredet, so als betrachte er sich in seinem schmutzigen Amt als Ritter auf dem Kreuzzug gegen die Verderbnis.
    Gabriela hielt es für klüger, den Mann nicht weiter zu reizen. »Wie gut, dass ich Sie getroffen habe! Ich war wohl schlecht beraten, als ich mir dieses Kleid fertigen ließ. Vielleicht können Sie mir helfen. Was trägt man denn bei Hofe? Und was hat jene Dirne verbrochen, die Ihr nach Temeswar verbannen musstet?«
    Der Beamte musterte sie mit säuerlichem Lächeln. »Meine Dame, ich will offen zu Ihnen sein. Ich denke nicht, dass es Sie wirklich interessiert, wie die Mode bei Hofe ist. Es ist jedoch meine Pflicht, jedwede Frage in Sachen Tugend und Anstand nach bestem Gewissen zu beantworten. Bei Hof sollten Sie ein Kleid tragen, das Ihre weiblichen Formen nicht über Gebühr betont. Die Ärmel des Kleides müssen in jedem Falle mindestens bis zu den Ellenbogen reichen und auch Ihre Brust sollte bedeckt sein. Wenn Sie tatsächlich jemals nach Wien zu einem der Bälle geladen werden, schreiben Sie mir vorher, und ich werde Ihnen einen Schneider empfehlen, bei dem Sie sich neu einkleiden lassen können. Was nun aber jenes Weibsbild angeht, das inzwischen in aller Strenge in den klösterlichen Tugenden unterwiesen wird … Der Dame beliebte es, nach einer Ihrer öffentlichen Aufführungen einige junge Herren von Stand zu empfangen.«
    »Sie meinen, Sie hat Unzucht mit ihnen getrieben?«
    »Mein liebes Fräulein von Bretton, ich meine stets, was ich sage. Sie hat die jungen Herren empfangen! Bevor Schlimmeres geschehen konnte, war ich bereits mit meinen Männern zur Stelle und habe diesen Sündenpfuhl trockengelegt.«
    Sie hatten fast die Terrasse auf der Rückseite des Schlosses erreicht, wo Diener eine kleine Festtafel aufgetragen hatten.
    »Nun verstehe ich, warum mein Onkel Sie darum gebeten hat, mich zum Essen zu holen. Es gibt wohl in weitem Umkreis keinen Mann mit makelloserem Ruf. Ihnen mag man gar bedenkenlos das Schicksal einer Jungfrau anvertrauen.«
    Ein Zucken spielte um die Mundwinkel des Geheimen Rats. »Versuchen Sie nicht, mir zu schmeicheln, Fräulein von Bretton. Ich bin dagegen gefeit so wie Siegfried, der nach dem Bade im Drachenblute unverwundbar wurde. Im Übrigen hat mir der Herr Baron von Gewitsch über Ihre gar wunderlichen Eskapaden berichtet. Versuchen Sie also nicht, mich zu täuschen, denn Betrug ist mein tägliches Geschäft, junge Frau. So erkenne ich Lüge und Schmeichelei stets auf der Stelle, seien sie auch durch noch so schöne Worte verborgen.«
    »Nun, edler Recke in Diensten der Tugend. Wenn Ihr Euch mit Siegfried vergleicht, so habt doch auch Ihr gewiss Euer Lindenblatt. Eine wunde Stelle, an der schon der leichteste Treffer

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