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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ausgestiegen. Wir werden nicht weiterkommen, bis es ihm beliebt, sich wieder in seine Kutsche zu setzen. Wenn er nur einmal zum Himmel sehen würde … «
    Gabriela musste sich sehr beherrschen, um nicht ebenfalls aufzustehen und neugierig nach vorne zu blicken. Doch sie hatte ihrem Onkel versprochen, sich während der Festtage von ihrer besten Seite zu zeigen. Jetzt konnte sie allerdings nicht länger an sich halten. »Und warum ist der Kronprinz ausgestiegen? Was geht vor sich?«
    »Auf dem Platz steht ein Karren mit einem Gestell, auf dem ein toter Wolf liegt. Scheint ein Riesenbiest zu sein. Der Prinz wollte ihn offenbar eingehend betrachten. Man sagt, dass sich seine Majestät sehr für die Jagd begeistert.«
    »Ein Wolf … « Es war nicht ungewöhnlich, wenn die Jäger aus den umliegenden Dörfern einen Wolf zur Schau stellten, den sie in der Nähe der Stadt geschossen hatten. Schon mehrfach hatte sie sich die Kadaver, die zu den Markplätzen geschafft wurden, angesehen, doch diesmal fühlte Gabriela sich beunruhigt. Ihre Hand glitt zu der geschwungenen Bronzeklinke, um den Schlag der Kutsche zu öffnen.
    »Was wird das?«, fragte ihr Onkel missbilligend. »Du willst dich doch nicht etwa in die Schar der Gaffer einreihen?«
    Langsam ließ sie die Hand wieder sinken. »Natürlich nicht.« Sie fühlte sich mit einem Mal in der Kutsche gefangen. All die fröhlichen Gesichter dort draußen waren ihr jetzt zuwider.
    Endlich setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Mit einem Ruck rollte die Kutsche an. Gabriela verdrehte den Hals, um das Gerüst mit dem Wolf zu sehen, sobald es nur möglich war. Endlich kam der Kadaver in ihr Blickfeld. Das Tier hatte weiße Pfoten und eine weiße Brust. Unter dem rechten Auge zog sich eine weiße Blesse bis hin zur Schnauze. Es gab keinen Zweifel … Dort auf dem Gerüst lag ihre Wölfin. Gabriela fühlte sich plötzlich, als würde sie in einer zu eng geschnürten Korsage stecken. Keuchend schnappte sie nach Luft. Die Wölfin! Den ganzen Herbst über hatte sie alle Jäger zum Narren gehalten … Was war nur geschehen?
    »Was starrst du denn so? Fühlst du dich nicht wohl?«
    »Es ist … alles gut.«
    Der General folgte ihrem Blick. »Erinnert dich an deine Jagdausflüge, nicht wahr? Prächtiges Tier! Hab selten solch ein Prachtexemplar gesehen.«
    Gabriela vermochte den Blick nicht von der Wölfin zu lösen. Damals, als sie ihr entkommen war, hatte sie sich durch ein unsichtbares Band mit dem Tier verbunden gefühlt. Sicher, nüchtern betrachtet war das nichts als ein sentimentales Gefühl oder einfach blanker Aberglaube und doch … Als sie die Wölfin im Winter ein zweites Mal gesehen hatte, in der Ferne als Leittier eines ganzen Rudels, da hatte sie sich genauso frei gefühlt wie dieses Raubtier.
    Ein paar Kinder sprangen um das Gerüst mit dem Kadaver und stießen mit Stöcken nach der Wölfin. Sie lachten und scherzten. Ein großer unrasierter Kerl stand daneben. Er lehnte lässig auf seinem Gewehr und redete auf die Kinder ein. War er der Mörder der Wölfin?
    Die Kutsche verließ den Platz. Gabriela drehte sich um und sah so lange zu dem Holzgerüst, bis es gänzlich den Blicken entschwand.
    »Was hast du nur mit dieser Wölfin«, brummte von Bretton. »Verrenkst dir den Hals und glotzt dir hier die Augen aus dem Kopf. Ist das vielleicht eine Art für eine Dame?«
    »Ich muss die Wölfin haben. Sie soll nicht länger öffentlich zur Schau gestellt werden.«
    »Wozu? Was willst du damit? Dir ist doch wohl hoffentlich klar, dass ein Fräulein von Stand keinen Wolfspelz trägt.«
    »Du wirst nicht verstehen, wozu ich sie brauche, also frag nicht. Wenn du mir nicht helfen willst, werde ich alle Kleider verkaufen, die du mir geschenkt hast, um selbst zum Jäger zu gehen und ihm seine Beute abzukaufen.«
    Der General stieß einen tiefen Seufzer aus. »Bitte, lass uns morgen darüber reden. Heute habe ich wahrlich andere Sorgen. Deine Wölfin kann uns ja nicht mehr weglaufen.«
    »Dann lass sie wenigstens unter einem Vorwand vom Platz schaffen. Ich will nicht, dass man sie dort ausstellt!«
    »Ist das zu fassen! Dies ist der Tag, an dem ich meinen Lohn für sieben Jahre Arbeit bekomme. Vielleicht ist es das einzige Mal in meinem Leben, dass ich den Kronprinzen als Gastgeber bewirte … und du machst mir die Hölle heiß wegen irgendeines Jägers, der eine räudige Wölfin geschossen hat. Niemals werde ich verstehen, was in Weibsköpfen vor sich geht! Du hast mein Wort, dass ich

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