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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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dass Tanijen immer noch auf eine Antwort wartete, trat sie zu ihm und umarmte ihn. Sein Haar duftete wie das Meer – und Sabin liebte ihn in diesem Augenblick so sehr, dass es beinahe schmerzte.
    »Wir müssen nach Dantar zurück«, sagte sie. »So schnell wie möglich.«
    Tanijen erwiderte ihre Umarmung und zog sie so fest an sich, dass sie seinen schnellen Herzschlag spüren konnte.
    »Das werden wir. Wir sind Meerländer, Sabin. Wir finden immer wieder heim, wie die Wale.«
    Er strich ihr mit der Hand über die Wange und küsste sie. Seine Lippen schmeckten nach Salz und nach unzähligen Nachmittagen im Wasser – damals, als die Stürme nur selten tobten und sie noch Perlen und Korallen suchten statt verlorenes Treibgut. »Wir gehören zusammen«, sagte er leise. »Aber bis wir in Dantar sind, müssen wir alle zusammenhalten. Das heißt, wir müssen auch Amber behandeln, als wäre sie eine von uns.«
    Sabin verzog vor Widerwillen den Mund. »Eine von uns? Das kannst du von mir wirklich nicht verlangen!«

Gemeinsam und allein
     
    M ithilfe von Ambers Messer hatten sie die Ranken am Tor abgeschnitten, nun waren die beiden Flügel fest verschlossen und mit Inus Seilen gesichert. Jetzt saßen sie zu viert in der Halle in einer Insel von Licht neben dem erloschenen Kamin, den ein Relief mit Vögeln und Fischen schmückte. Noch wagten sie nicht, das Feuer im Kamin zu entfachen, aber Amber hatte Zündblättchen gefunden, mit denen sich wenigstens die Kerzen anzünden ließen. Sie bröckelten mehr, als sie schmolzen, und rochen schwach nach altem Fischtran, aber die Dochte brannten noch. Der Tisch war abgeräumt, die Teller von Staub befreit. Amber hatte die beiden Vögel gerupft und die Fleischstücke über einem Bündel von Kerzen geröstet. Doch das Fleisch schmeckte seltsam wässrig und substanzlos.
    Sabin hatte sich einen hellen, verblichenen Samtmantel aus einer der Truhen um die Schultern gelegt. Amber fand, sie wirkte wie die weiße Königin aus den Märchen der Baumfäller.
    »Die Ladung der Schiffe, die erst vor Kurzem hier gesunken sind, liegt zum Teil noch verstreut hinter den Klippen«, sagte Sabin. »Würde jemand hier leben, hätte er sie geborgen.«
    »Die Bewohner haben die Burg überstürzt verlassen«, murmelte Inu. »Vielleicht sind sie geflohen und davongesegelt. Aber wo sind die ganzen Gestrandeten? Keine Gebeine am Strand, keine Gräber…«
    »Vielleicht liegen die Knochen auf dem Grund des Tümpels«, meinte Sabin lakonisch.
    Amber schielte zu der Axt mit dem rostigen Blatt, die sie in einer der Truhen gefunden hatte. Sabins Harpune lag ebenfalls in Greifweite, außerdem Stöcke, Schürhaken und ein altes Fischernetz.
    »Auf jeden Fall haben Seeleute hier gelebt.« Tanijen deutete auf eine Kiste, deren Schloss er aufgebrochen hatte. »Jede Menge Seekarten und Windströmungstabellen liegen in den Truhen.« Er strich mit dem Finger über einen runden Gegenstand neben der Truhe. Sein Finger schob die dicke Staubschicht vor sich her. Und in dem Streifen, der auf Glas zurückblieb, zitterte eine Nadel. »Ein Kompass. Doch er funktioniert ebenso wenig wie der, den Inu heute Morgen am Strand gefunden hat.«
    »Möglicherweise sind die Schiffe nicht gestrandet, sondern ankerten vor der Insel und wurden erst in einem Sturm zerschmettert. Warum sollten die Stürme, die an Dantars Küste toben, nicht auch die Insel heimsuchen?«, schlug Amber vor.
    »Unwahrscheinlich«, meinte Sabin kühl. »Die Timadar liegt kaum einen Sommer am Strand, andere Schiffe sind schon so zerfallen, dass man die Namen nicht mehr lesen kann. Und die Namen sind zum Teil so fremd, dass sie auf keinen Fall aus Dantar kommen.«
    »Namen?« Tanijen horchte auf. »Was für Namen?«
    Sabin hob die Schultern, als würde sie frösteln. »Pallas, zum Beispiel, und Uda. Eine Galeone heißt Mimora und trägt am Bug die Augen der Feuerläufer, also ist es ein Schiff vom roten Kontinent.«
    »Pallas«, murmelte Tanijen. »Uda. Mimora.«
    Inu ertappte sich dabei, wie seine Hand zu seinem Gürtel glitt und über den Korallensplitter strich. Er verstand sich selbst nicht mehr. Warum versteckte er ihn? Während Tanijen und die anderen die Gegenstände aus den Truhen betrachteten, konnte er nur an den Splitter denken – und an den Tümpel. Im Kopf rechnete er aus, wie viel Faden er wohl für ein Lot benötigen würde. Aus irgendeinem Grund interessierte es ihn, wie tief der schwarze Tümpel im Burghof war.
    »Lasst uns sehen, dass wir die

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