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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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Timadar so schnell wie möglich seetüchtig machen«, sagte Sabin. »Es muss Stellen im Wasser geben, an denen es keinen Sog und keine Strömung gibt.«
    »Wir haben sechs Äxte«, sagte Amber.
    »Und Käfige«, setzte Tanijen hinzu. »Wozu haben sie die ganzen Vögel gefangen?«
    »Ich will es gar nicht wissen«, meinte Sabin. »Ich will hier nur weg.«
    »Ich auch«, sagte Amber leidenschaftlich. »Ich will zurück nach Dantar! Die Äxte sind zwar etwas rostig, aber gut zu gebrauchen. Ich schlage das Holz zurecht, das wir für das Schiff benötigen. Inu macht die Seile – und genug Tuch für Segel haben wir auch…«
    »Tuch, ja«, bemerkte Sabin trocken. »Wenn wir Segel aus alten Kleidern zusammennähen wollen.«
    »Wir haben genug Wachs«, sagte Tanijen. »Damit schützen wir den Stoff gegen Feuchtigkeit.«
    »Finde du erst einmal heraus, wo wir sind«, bestimmte Amber. »Ich und Sabin kümmern uns um das Schiff.«
    Inu zuckte zusammen. Ich und Sabin? Verstohlen betrachtete er das herrische Landmädchen von der Seite. Im Kerzenlicht erschienen die blauen Flecken an Ambers Unterarmen noch dunkler. Er traute ihr ohne Weiteres zu, eine Kriegerin auf der Flucht zu sein. Jedes Leben war ein Netz – und dieses Mädchen machte den Eindruck, dass ihr Netz einige Knoten zu viel enthielt und zum Zerreißen gespannte Schnüre, außerdem zu kleine Maschen, in denen sich Dinge verfangen hatten, die besser nicht das Tageslicht erblickten.
    Sabin sah sie ärgerlich an und auch Tanijen sagte vor Verblüffung nichts. Doch Amber bemerkte offenbar nicht, dass sie wieder einmal ins Fettnäpfchen getreten war. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum.
    »Da ist noch etwas«, sagte sie und setzte sich auf. Ihr Rücken schmerzte offenbar immer noch, sie bewegte sich langsam und vorsichtig. »Es ist der Tote. Ich will, dass er beerdigt wird.«
    Sabin schüttelte entschieden den Kopf. »Auf keinen Fall. Er liegt im Gewölbekeller und da bleibt er auch!«
    »Aber er ist bereits seit zwei Tagen tot. Was, wenn er wieder aufsteht?«
    »Warum sollte er Lust haben, hier herumzuspazieren?«, spottete Sabin.
    »Tote, die unbegraben bleiben, finden die lichte Grenze nicht«, antwortete Amber ernsthaft. »Sie fliehen zurück in ihre Körper und verfolgen die Lebenden. Da, wo ich herkomme, gibt es… Geschichten von versäumten Beerdigungen, die auf das Frühjahr verschoben wurden, da der Boden im Winter zu hart war. Und von Toten, die daraufhin umherirrten – sie sind einsam und heulen nachts mit dem Wind um die Wette, sie streichen um die Gehöfte und hämmern an die Türen, weil sie wieder eingelassen werden wollen.«
    Inu musste lächeln. Die Bergleute waren abergläubisch.
    »Außerdem wird er… verwesen«, fuhr Amber aufgeregt fort. »Wir begraben ihn und sagen in Dantar Bescheid. Dann kann seine Familie doch immer noch entscheiden…«
    »Nein!«
    Das hatte Inu erwartet. Sabin konnte ihren Schmerz nie verbergen – zumindest nicht vor ihm. Satu war in ihren Augen so lebendig, als würde sie versuchen ihren Bruder mit ihrem »Nein« in den Raum zu zwingen.
    »Warum nicht?«, brauste Amber auf.
    Die Taucherin warf ihr einen scharfen Blick zu. »Ist das bei euch so, Bauernmädchen? Verscharrt ihr eure Toten im Matsch, ohne euch um das Leid der Angehörigen zu kümmern?«
    Amber wurde blass. Nur auf ihren Wangen leuchteten rote Flecken. Tanijen hob beschwichtigend die Hände.
    »Kein Streit«, sagte er sanft. »Bitte…«
    »Was ist los mit dir, Fischhaut!«, zischte Amber Sabin zu. »Ich will einen Toten unter die Erde bringen, was ist verkehrt daran? Das hat nichts mit Herzlosigkeit zu tun. Im Gegenteil! Diesen Wunsch würde ich auch haben, wenn es mein… Bruder wäre.«
    Besonders bei ihm, setzte sie in Gedanken hinzu.
    Sabin sprang auf. Der Wasserbecher neben ihrem Lager fiel um, die klare Flüssigkeit suchte sich ihren Weg zwischen verblassten Marmorintarsien.
    »Geh zum Kerot, Landkröte!«, fauchte sie. Ihr Umhang wallte, als sie die Treppe hocheilte und in dem dunklen Flur verschwand.
    »Lass sie, Amber«, sagte Tanijen. »Ich werde mit ihr sprechen und…«
    Amber stieß einen Fluch aus und schnellte auf die Beine.
    »Halt!« Inu machte eine rasche Bewegung nach vorn. Er erwischte sie am Ärmel. Einen Augenblick zuckte Schmerz über ihr Gesicht. Dann fand sich Inu nach Luft schnappend am Boden wieder. Amber hatte ihn abgeschüttelt und mühelos mit einem Schleuderwurf zu Fall gebracht. Nun stand sie einige Schritte entfernt

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