Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
„Ihr beide übrigens auch, ihr seht total erschöpft aus."
Widerspruchslos zogen sich Phil und Leo in ihr Zimmer zurück. Während Leo bereits kurze Zeit später mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck einschlief, lag Phil noch lange wach. Warum erkannte seine Mutter ihn nicht? Was wäre, wenn sie nie wieder so sein würde wie früher, wenn ihr Gedächtnis für immer gelöscht blieb? Ruhelos wälzte sich Phil von der einen auf die andere Seite.
Daher erwachte er erst am späten Vormittag, als Leo ihm seine frisch gewaschene Jeans und eines der neuen T-Shirts aufs Kopfkissen pfefferte. „Raff dich auf, es ist bald Mittag. Ich habe schon den Schuppen geschrubbt." Durch einen Spalt zwischen seinen Hosenbeinen sah Phil, wie Leo einen hellblauen Strickpullover in seinem Rucksack verstaute.
Phil fand seine Mutter zusammen mit Frida in der hintersten Ecke des Gartens, wo sie beobachteten, wie eine Kartoffelpflanze ihre reifen Knollen aus der Erde schleuderte, nachdem Frida sie versehentlich mit dem Fuß berührt hatte. Seine Mutter verfolgte das Schauspiel, ohne die geringste Reaktion zu zeigen.
Phil gab sich alle Mühe, ihre Erinnerungen zu wecken. Er zeigte ihr das Foto, erzählte von Lu und von ihrer Arbeit und auf welche Weise sie in diese Welt gelangt waren; dass sie zuerst von Leo im Büro und dann von Manne im Wald beobachtet worden war und was er zusammen mit Leo bisher erlebt hatte. Seine Mutter hörte ihm mit einer seltsamen Leere in den Augen zu. Als er ihr das blaue Seidentuch umband, lächelte sie zum ersten Mal, aber nichts deutete darauf hin, dass sie es wiedererkannte.
In Rekordzeit strickte Leo ihr einen dicken Pullover, den sie mit Fridas Hilfe über das Samtkleid streifte. Danach begann er mit dem Kleid für Frau Struwwel, Frida hatte ihm die passende Wolle besorgt.
Beim Abendessen legte Frida ein blitzsauberes Taschenmesser auf Phils Platz. „Wie hast du das hingekriegt?", fragte er. „Ich dachte, es wäre hinüber."
„War es auch. Der Medusenschleim hatte angefangen, es zu zersetzen. Ich musste das Messer entsorgen. Das hier ist neu."
„Ähm, danke", murmelte Phil verlegen.
Vor dem Schlafengehen verabschiedete sich Phil mit einem langen Händedruck von seiner Mutter, denn er wusste nicht, ob sie am nächsten Morgen schon auf sein würde, wenn sie zur Schule mussten.
„Ich werde gut auf sie aufpassen", versprach Frida. „Manne kümmert sich solange um die Schafe."
„Danke", sagte Phil mit belegter Stimme.
Eine falsche Schlange
Am Montagmorgen weckte Frida Phil und Leo erst wenige Minuten vor Unterrichtsbeginn. Sie meinte, sie sollten Horst dankbar sein. Hätte er ihr nicht im Traum einen Heiratsantrag gemacht, hätte sie vermutlich noch länger geschlafen.
Mit einem Sprung waren Phil und Leo aus dem Bett. Obwohl sie auf das Frühstück verzichteten und sofort zur Schule ritten, schafften sie es nicht pünktlich.
Frau Schwan empfing sie mit verschränkten Armen in der Eingangshalle. Ihre Augen nahmen zunächst das Ziffernblatt ihrer Armbanduhr und dann die unliebsamen Schüler ins Visier. „Genau fünfzehn Minuten zu spät!"
„Wir auch, aber zum Lernen ist es nie zu spät", rief Phil übermütig und wollte an ihr vorbeirennen, doch Frau Schwan kommandierte ihn zurück. „Ersparen Sie mir Ihre respektlosen Bemerkungen!" Mit einer unmissverständlichen Handbewegung stieß sie die Tür zu ihrem Büro auf. Ihr Lächeln verhieß nichts Gutes.
„Bitte, Frau Schwan, wir haben es extrem eilig", flehte Leo.
„Ja, wenn das so ist …", Frau Schwan machte eine Pause, „nehmen Sie erst einmal Platz!" Sie wies auf zwei Stühle neben der Tür.
Mit einem ergebenen Seufzer ließ sich Leo nieder. Vorsorglich zerrte er Phil, auf dessen Stirn sich eine ansehnliche Zornesfalte gebildet hatte, an seinem T-Shirt auf den Stuhl neben sich.
Ohne ihnen weitere Beachtung zu schenken, verschwand Frau Schwan hinter ihrem Monitor. Leo hielt sich die Nase zu. Phil, der gerade seinen Vorrat an Schimpfwörtern und Flüchen durchging, fand die Luft längst nicht so verqualmt wie bei ihrem ersten Besuch. Vielmehr roch es nach einer Mischung aus Rauch und einem Lufterfrischer.
Wenig später klopfte es und der Direktor trat ein. „Grüß dich, Beatrix. Hast du schon veranlasst, dass alle Drachenpfeifen von brütenden Weibchen aus der Burg entfernt werden? Wir dürfen kein Risiko eingehen." Sein Blick fiel auf Phil und Leo, die inzwischen aufgesprungen waren. „Nanu, was macht ihr denn hier?"
Er wandte
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