Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
eine Schüssel mit Obstsuppe hin, doch sie rührte sie nicht an. Leo ließ die Schüssel nicht aus den Augen. „Ähm, wenn Frau Marten nicht möchte, wäre es doch schade, wenn … ich meine ..."
„Natürlich darfst du die Suppe essen", sagte Frida lächelnd.
Anschließend brachte sie Phils Mutter in eines ihrer Gästezimmer. „Sie braucht jetzt viel Ruhe", belehrte sie Phil, der seiner Mutter am liebsten nicht mehr von der Seite gewichen wäre.
Nachdem sich Anna Marten hingelegt hatte, setzte sich Frida wieder an den Küchentisch. „So, und nun erzählt mal von Anfang an."
Dieses Mal wechselten sich Phil und Leo beim Sprechen ab.
Als Phil den Überfall der Riesenzecke schilderte, musste sich Frida Beruhigungstropfen in den Tee tun. „Wenn ich geahnt hätte, was ihr vorhabt, hätte ich euch im Keller eingesperrt und wäre auf der Stelle mit Manne in den Wald geritten." Beim Angriff des Medusenbaums – so nannte Frida den Baum mit den violetten Fangarmen – nahm sie einen ganzen Teelöffel von den Tropfen.
Leo vergaß auch nicht zu erwähnen, dass er beinahe sein Leben geopfert hätte, um Horst abzulenken. Allerdings konnte Phil sich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass pausenlos Schüsse gefallen waren.
Stolz berichtete Leo von seiner Strickleiter, ohne die sie wahrscheinlich immer noch auf dem Baum sitzen würden oder schon längst dem Wolf oder Aasvogel oder Drachen zum Opfer gefallen wären. Hier unterbrach Frida ihn und versicherte ihm, dass sich die Drachen vegetarisch ernährten. Ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen, erzählte Leo, wie sie die Pferde gerufen hatten. Dass ihn der Baum auf seine Stute gesetzt hatte, ließ er aus, und Phil sah keinen Grund, ihn daran zu erinnern.
Als Leo fertig war, nahm Frida ihn in die Arme. „Du, mein Engel", flüsterte sie und brachte ihm die frisch gewaschenen Locken durcheinander. Leo strahlte Phil über ihre Schulter hinweg an. Frida ließ Leo los und drückte Phil an sich. Danach wandte sie sich ab und schnäuzte geräuschvoll in ihr Taschentuch. „Ich bin so froh, dass ihr noch am Leben seid. Das gelingt nämlich nicht jedem."
„Paul hatte auch schon etwas in der Art angedeutet", erwähnte Phil beiläufig.
Leo streckte sich. „Aber es gibt doch auch harmlose Wesen – diesen Gummibaum zum Beispiel."
Frida warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. „Der Baum hat Silver getötet."
„Oh."
„Wir nehmen an, dass er ihn erwürgt hat. An Silvers Krallen fanden wir übrigens Metallspuren. Vermutlich hat er die Brücke selbst ausgefahren."
„Da haben wir wohl ziemlich großes Glück gehabt, dass der Baum einen guten Tag hatte", stellte Phil fest.
„Mehr Glück als Verstand." Frida klapperte mit den Tassen und Tellern. „Übrigens haben wir nicht nur deine Mutter, sondern auch den jungen Drachen befreit oder besser gesagt, wir haben ihn ausgeliehen. Für deine Mutter wäre der Weg durch den Wald zu beschwerlich gewesen. Der Drache kann selbst entscheiden, ob er zu Horst zurückkehren möchte."
„Hat Horst euch auch angegriffen?", wollte Leo wissen.
„Horst warf sein Gewehr weg, nachdem Manne einem seiner Schafe mit dem Pfeil ein Grasbüschel aus dem Maul geschossen hatte. Ich habe Manne gesagt, er soll das nie wieder vor meinen Augen tun. Immerhin war Horst auf der Stelle friedlich. Als er uns Frau Marten übergab, hat er fast geweint. Aus Mitleid hat Manne ihm eine neue Frau versprochen. Ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat. Welche Frau lebt schon freiwillig in einer dunklen Höhle im Verrückten Wald, noch dazu mit solch einem Mann?"
„Wird meine Mutter wieder gesund werden?", fragte Phil leise.
Frida legte den Lappen, mit dem sie gerade den Tisch abwischen wollte, zur Seite und setzte sich. „Ich befürchte, dass deine Mutter einen schweren seelischen Schock erlitten hat, als dein Vater vor ihren Augen entführt wurde. Manne hat mir erzählt, dass sie damals wie von Sinnen geschrien hat. Dass sie ausgerechnet von Horst gefunden wurde, hat ihren Zustand sicher noch verschlimmert." Frida massierte sich die Schläfen. Zum ersten Mal, seitdem Phil sie kannte, wirkte sie müde. „Die Teilnahmslosigkeit ist eine Schutzfunktion ihres Körpers. Aber ich glaube fest daran, dass deine Mutter gesund wird. Mit der Zeit. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie das Wiedersehen mit deinem Vater augenblicklich in die Wirklichkeit zurückholt. Doch zunächst muss sie sich von der ganzen Aufregung erholen." Lächelnd erhob sich Frida.
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