Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
Leo laut darüber nachdachte, ob man die essen kann, versetzte ihn das etwa medizinballgroße, blassgrüne Stacheltier mit einem Biss für einige Sekunden in den Tiefschlaf. Erfreut stellte Herr Kinsky fest, dass er sich weitere Erklärungen über die Angriffstaktik der Stachelbären mithin ersparen könne. Der Vollständigkeit halber wolle er noch erwähnen, dass auch eine Berührung der Stacheln ausreiche, um kurzzeitig das Bewusstsein zu verlieren.
Erdbären betäubten ihre Opfer ausschließlich durch Zubeißen, hatten jedoch die Angewohnheit, ihre Beute in Erdlöcher zu verschleppen.
Für das Anschauungsexemplar hatte Herr Kinsky auf dem Balkon ein großes Terrarium aufbauen lassen. Die kreisrunden Löcher in der Erde waren wie die Fünf auf einem Würfel angeordnet. Herr Kinsky setzte ein Kaninchen in den gläsernen Behälter. Kurze Zeit später schob sich eine spitze Schnauze aus einer Öffnung. Ein kleinwüchsiger Bär, dessen Fell die Farbe der Erde angenommen hatte, kam heraus, beäugte zunächst die Schüler und packte anschließend mit seinen langen Krallen das Kaninchen. Der Erdbär biss zu und zerrte den leblosen Körper mit seinen kräftigen Zähnen in das mittlere Loch. Nach heftigem Protest der Mädchen – Melanie war bereits in das Terrarium gesprungen und wühlte mit beiden Händen in der Erde – befreite Herr Kinsky das Kaninchen mit Hilfe eines Spatens.
„Können Erdbären auch einen ausgewachsenen Kämpfer wegschleppen?", wollte Susanne wissen.
Herr Kinsky musterte sie. „Das ist in der Tat schon vorgekommen. Riesenameisen, die gegen das Betäubungsgift immun sind, spüren die verschollenen Kämpfer meistens wieder auf."
„Meistens?" Susannes Augen weiteten sich.
„Eigentlich immer", korrigierte sich Herr Kinsky, „aber an Ihrer Stelle würde ich mir darüber keine Gedanken machen. Übrigens halten sich Erdbären nur im Erdgeschoss der Burg auf."
Wieder im Klassenraum widmeten sie sich vierblättrigen Kleeblättern, die in der Lage waren, das Betäubungsgift zu neutralisieren. Die Berührung eines der wie kleine Hubschrauber umherschwirrenden Pflänzchen bewahrte den Kämpfer genau einmal vor der Ohnmacht. Je mehr Kleeblätter sie berührten, desto besser. Allerdings durften sie die fliegenden Kleeblätter nicht mit den Libellen verwechseln, die an ihrem Hinterleib einen Stachel mit Betäubungsgift trugen. Die Zwillinge machten sich einen Spaß daraus, die Libellen auf ihre Mitschüler zu hetzen. Zur Strafe mussten sie die Insekten mit dem Kescher einfangen, während sich die anderen auf den Liegestühlen des Balkons lümmelten oder den Erdbären mit Eiswaffeln fütterten. Paul und Lukas feuerten die Zwillinge durch die Scheibe an. Bei jeder erhaschten Libelle prosteten sie ihnen mit einem Eisgetränk zu.
Bevor Herr Kinsky ihnen den Kugel-Schrei-Bären vorstellte, überprüfte er, ob sämtliche Fenster und Türen des Klassenraumes fest verschlossen waren. Das Tier war in einer schalldichten Kiste eingesperrt. Als Herr Kinsky den Deckel kurzzeitig öffnete, heulte der Bär, der sich zu einer grauen Fellkugel zusammengerollt hatte, wie eine Sirene. Herr Kinsky behauptete, dass jemand, der diesem Geräusch länger als fünf Minuten ausgesetzt sei, unweigerlich den Verstand verlor. Katzenmenschen und die anderen Wesen in der Burg waren diesem Ton gegenüber unempfindlich, nicht jedoch die Kämpfer. Auf seine Frage nach einer freiwilligen Testperson reagierte niemand. Pauls Vorschlag, Frau Schwan zu holen, lehnte er ab.
Zum Schluss präsentierte Herr Kinsky einige Riesenzecken und Wanderkakteen. Er erklärte den Schülern, dass Riesenzecken den Kämpfern die Kraft entzogen, sie diese jedoch durch die Berührung der Glasfrucht eines Wanderkaktus' zurückgewinnen konnten. Nachdem die Schüler erfahren hatten, dass die rubinroten Früchte auch vorbeugend halfen, machten sie Jagd auf die Kakteen. Erst als Herr Kinsky hinzufügte, dass die Wirkung bereits nach wenigen Stunden nachließe, verloren sie das Interesse an ihnen.
Ein Kaktus heftete sich an Pauls Fersen. Am Unterrichtsende weigerte er sich, in seinen Blumentopf zurückzukehren. Stattdessen bewachte er die Tür zum Umkleideraum. Herr Kinsky rief Paul heraus und forderte ihn auf, seine Taschen zu leeren. Zum Vorschein kam eine Glasfrucht, worauf Paul sich laut wunderte, wie sie unbemerkt in seinen Anzug geraten sei. Herr Kinsky nahm ihm die Frucht ab und warf sie in die Luft, woraufhin der Kaktus sie mithilfe seiner Stacheln
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