Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werde.
„Aber ich muss ins Schloss!", schrie Phil.
„Auf keinen Fall! Es wäre unverantwortlich, euch fliegen zu lassen, solange das schwarze Weibchen außer Kontrolle ist. So leid es mir tut, Phil – das ist mein letztes Wort", erwiderte der Direktor.
Phil lief zurück und versuchte, den gesprenkelten Drachen zu wecken. Plötzlich rauschte es über ihm. Kam der schwarze Drache zurück, um auch ihn zu holen? Er wirbelte herum und wurde geblendet. Durch seine Finger nahm er über der Arena ein Flimmern wahr. Das grelle Licht verdichtete sich zu einem prächtigen Drachen, der ihn anpeilte. Außerstande sich zu rühren, wartete Phil, bis er vor ihm niedergegangen war. Es war der Drache, dessen Abbild den Couchtisch von Herrn Sanders verzierte. In seiner vollen Größe war er noch beeindruckender. Die Schuppen glänzten golden, die Krallen schienen aus Elfenbein gemeißelt. Am schönsten jedoch waren die sanften, dunkelgrünen Augen, die Phil unverwandt anschauten, während der Drache seinen schmalen Kopf auf das Gras bettete.
Behutsam legte Phil Elisa über den muskulösen Hals des Tieres, dann setzte er sich hinter sie. Aus den Augenwinkeln sah er Herrn Junker über den Rasen stürmen. Phil hütete sich, in seine Richtung zu blicken. Bevor der Direktor in Rufweite war, richtete sich der Drache auf und breitete seine Schwingen aus. Mit wenigen kraftvollen Flügelschlägen hob er ab.
Phil hielt mit einer Hand Elisa fest, mit der anderen suchte er Halt. Die goldenen Schuppen fühlten sich warm an. Bei jedem Flügelschlag hob und senkte sich der Drachenkörper, sodass Phil das Gefühl hatte, auf einem Segelboot durch die Wellen zu gleiten. Trotzdem hatte er keine Angst, hinunterzufallen, denn die Bewegungen des Drachen waren ruhig und gleichmäßig. Bald hatten sie die Arena und die Rennstrecke hinter sich gelassen und überquerten den Verrückten Wald. Von oben wirkte er harmlos – ein grüner Teppich, in den ein schmales gelbes Band gewebt war.
Sie ließen das abgeschlossene Tal, in dem Horst lebte, hinter sich und erreichten eine imposante Gebirgslandschaft mit runden, spitzen und stufenförmigen Felsen in Pastellfarben. Viele der hellblauen, gelben oder fliederfarbenen Gebilde ähnelten geometrischen Figuren, die Phil aus dem Matheunterricht kannte: Pyramiden, Kegel und Prismen. Manche Berge sahen aus, als hätten sie Gesichter.
Das Gebirge endete an einem türkisfarbenen Meer. Kleine Wellen plätscherten ununterbrochen nach einem bestimmten Muster gegen die Felsen. Bald tauchte mitten im Wasser ein spiegelglatter Berg in Form eines Kegelstumpfes auf. Ein maisgelbes Schloss bedeckte die Oberfläche vollständig. Eine Tür konnte Phil in dem wuchtigen Gebäude nirgends erkennen, aber dafür viele Fenster.
Der Drache landete auf einem Turm in der Mitte des Schlosses. Phil sprang ab und hob Elisa herunter.
Das Tier wandte ihm sein Gesicht zu. Seltsamerweise wurde Phil nicht mehr geblendet. „Ist ein Trick, ich kann die Stellung meiner Schuppen verändern. Hat sich manchmal als recht nützlich erwiesen", erklärte der Drache mit tiefer, wohlklingender Stimme.
„Du kannst sprechen?"
„Alle Drachen können das, doch nur, wer das Drachenamulett trägt, kann uns verstehen."
„Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mit dem schwarzen Drachen mal ein ernstes Wörtchen geredet. Hast du mich damals in der Schlucht gerettet?"
„Ja, das war ich."
„Danke. Wirst du mich zurück in die Arena bringen?"
„Natürlich."
„Da wäre noch was. Meine Eltern sind wahrscheinlich hier. Es kann sein, dass wir zu viert fliehen müssen."
„Ruf den grünen Drachen zur Verstärkung. Du trägst seine Pfeife."
„Aber er hört nicht auf mich!"
„Versuch es! Notfalls werde ich ihn holen." Wieder blies Phil mehrmals in die grüne Drachenpfeife.
„Sobald du den Drachenring erobert hast, wird er da sein. Geh jetzt!" Der Drache rückte ein Stück zur Seite. Zum Vorschein kam eine Falltür, die in den Boden des Turms eingelassen war. An einem Ring aus Metall zog Phil sie auf. Darunter führte eine Wendeltreppe in das Innere des Turms. Fackeln, die in Mauernischen hingen, beleuchteten spärlich die Steinstufen.
„Viel Glück!", sagte der Drache.
Phil trug Elisa die Stufen hinunter. Er hatte keine Vorstellung, was er tun sollte, wenn ihn plötzlich eine Kreatur angriff. Er wäre ihr schutzlos ausgeliefert. Mit der Zeit taten ihm die Arme weh. Auch wenn Elisa leicht war, würde
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