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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Hochzeitsfeier war schon so viel schiefgelaufen, und jetzt auch das noch. Doch lange dachte ich nicht darüber nach, denn mich kränkte der grimmige Blick meines Aufpassers.
    »Ach, da habt Ihr also gesteckt. Ich habe mich schon gefragt, wieso Ihr nicht herumschleicht und Anstoß an mir nehmt.«
    »Es gibt Leute, die haben Nützliches zu tun.«
    »Arbeite ich hier etwa nicht?« Ich wusch im Vorzimmer meine Pinsel in meinem Becken mit Wasser aus, das Nan mir gebracht hatte. Neun kleine Tuschezeichnungen in Sepia, in die ich die Farben mit dem Stift eingetragen hatte, damit ich später danach malen konnte. Ich hatte geschuftet wie ein Ackergaul, um sie fertigzustellen, abgesehen davon, daß Ackergäule nicht malen.
    »Und noch eins. Ich glaube, ich habe Euren Jungen gesehen, diesen Tom. Er hat sich bei der Dienerschaft herumgetrieben, während Ihr gezeichnet habt.«
    »Na und?«
    »Hatte ich nicht gesagt, schickt ihn fort? Wie könnt Ihr es wagen, die Befehle des Bischofs zu mißachten.«
    »Ich brauche ihn, und er ist mir gefolgt, und das könnt Ihr mir nicht gut ankreiden, oder? Er paßt auf meine Sachen auf, damit sie nicht gestohlen werden, und hilft Peter mit den Pferden und…«
    »Peter hat also die ganze Zeit Bescheid gewußt? Der Halunke bekommt eine Tracht Prügel, mein Wort darauf. Und die hättet Ihr auch verdient, Ihr mit Eurem vorwitzigen Mundwerk und Eurem Hochmut.« Aber ich wußte, das würde er nicht wagen, also tat ich die Worte mit einem Schulterzucken ab. Und was Tom anging, so hatte ich den Maat auf der »Jesus of Lubeck‹ bereits tüchtig bestochen, damit er ihn mit den Stallburschen hinüberschmuggelte. Geschah Robert Ashford ganz recht, wenn er feststellen mußte, daß die Welt nicht immer nach seiner Pfeife tanzte.

    In der ›Meerjungfrau‹, in Sichtweite des Hafens gelegen, ging es an jenem Abend noch höher her als sonst, denn man betrank sich, sang und nahm Abschied und krakeelte und grölte, während die große Flotte die ganze Nacht über bei Fackelschein beladen wurde. Brautsilber kann durchaus im Frachtraum lagern, bis das Wetter umschlägt, Lebewesen jedoch nicht. Wiehernde Zelter wurden mit Tragriemen in den Schiffsbauch hinuntergelassen, während Diener, Aufseher und niederes Gesinde voll beladen die Laufplanken hochstolperten. Kleine Boote setzten vor und zurück zu den vierzehn großen Schiffen, brachten verspätete Soldaten in Grün und Weiß, den Farben des Königs, vom Ufer an Bord der Schiffe, die auf Reede lagen. Ashford erblickte Nan und mich auf der Laufplanke zu unserem Schiff, das vom Kai aus beladen wurde. Bepackte Diener, Haushaltsbeamte mit Anweisungen in letzter Minute und Musikanten, die eingewickelten Instrumente auf dem Rücken, stolperten auf das Riesenschiff. Oben an Deck sah ich den Kaplan der Prinzessin und Priester. Flackernder Fackelschein schimmerte auf dem vergoldeten Schnitzwerk des Vorschiffes, das hoch über uns emporragte. ›Henri, Grace à Dieu‹. Das größte der großen Schiffe. Ashfords Gesicht sah im Fackelschein düster aus.
    »Ich werde Euch wohl wiedersehen«, sagte er.
    »Es wird sich kaum vermeiden lassen«, gab ich zurück. »Schade, aber das ist nun einmal Euer Los.«
    »Der König segelt nicht mit«, sagte er, als wäre das irgendwie von Bedeutung.
    »Man hat uns im unteren Deck Platz angewiesen, bei den Kanonen«, sagte ich. »Da werde ich kaum etwas sehen, aber ich will versuchen, auf dem Hauptdeck zu bleiben.«
    »Da steht Ihr nur im Weg herum. Man wird es Euch nicht erlauben«, sagte er kurz angebunden.
    »Das sagt Ihr. Ihr seid ja bloß neidisch, daß ich nach Frankreich fahre und Ihr nicht.«
    »Aber ich fahre mit«, antwortete er. »Cavendish hat mir neue Befehle gebracht.«
    »Etwa mit uns?«
    »Nein, auf der ›Lubeck‹«, sagte er, und sein Blick wurde abweisend. Oje, dachte ich. Hoffentlich geht ihm Tom gut aus dem Weg.
    »Freut Ihr Euch denn gar nicht, daß Ihr mitdürft? Es wird alles sehr prächtig.«
    »Ja, gewiß.« Irgendwie klang seine Stimme besorgt. Hatte er Vorahnungen? »Möge Gott uns alle behüten«, sagte er und machte jählings auf dem Absatz kehrt.
    »Ha«, empörte sich Nan, »da geht der ungehobeltste Klotz auf der ganzen Welt.« Zusammen stiegen wir die schwankenden Laufplanken hinauf, und es gelang uns, so lange an Deck zu bleiben, daß wir den König höchstpersönlich sehen konnten, wie er seine Schwester zum Ufer geleitete und sie im Schein der rauchenden Fackeln küßte, und dann hießen die Trompeter

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