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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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aus ihrer Mitte nach vorn, den Jüngsten, und ich hieß ihn, sich ans Feuer zu setzen, befeuchtete meinen Pinsel und zeichnete sein Bildnis mit Sepiatusche. Ich spürte, daß Master Ashford neben mir stand und meine Hände beim Zeichnen betrachtete. Was für ein merkwürdiger Mensch, dachte ich. Zuweilen spüre ich, wenn wir schweigen, daß zwischen uns etwas ist, etwas Ungewöhnliches, so als bräche warmes Sonnenlicht durch kalte Wolken. Die Zechbrüder waren abgelenkt und schubsten und drängelten sich, weil sie zusehen wollten, und danach benahmen sie sich viel manierlicher, denn insgeheim hoffte jeder, er könnte mich vor unserem Aufbruch auch zu einer Zeichnung überreden. Ich sah, wie Master Ashford zunächst sie und dann mich musterte und den Kopf schüttelte. Was bedeutete das? Männer sind mir ein Rätsel.
    Dennoch rissen die Zechbrüder schon wieder Witze, als wir das Kopfpolster in die Mitte des Bettes legten, dann stieg Nan mit grimmigem Blick und voll bekleidet auf einer Seite vom Kopfpolster ins Bett, und Master Ashford setzte sich genauso voll bekleidet auf die andere Seite und machte sich daran, seine Stiefel zu säubern.
    »Master Ashford, wollt Ihr etwa in Stiefeln schlafen?« fragte ich und zog mir die schmutzigen Schuhe aus.
    »Damit sie mir heute nacht nicht davonlaufen«, sagte er.
    »Warum schlaft Ihr dann nicht gleich mit Sporen?«
    »Die wickle ich in meinen Umhang, so, und ich rate Euch gut, tut das auch mit Euren Schuhen, wenn Ihr sie morgen wieder anziehen wollt.«
    Also rollte ich meine Habe auch in meinen Umhang und machte daraus ein Kissen wie er, da das Kopfpolster einem anderen Zweck diente. Doch mit Nan und dem Polster in der Mitte blieb mir nur die Bettkante, wo es am kältesten ist, weil die Decke nie breit genug zu sein scheint. Aber dann stellte sich heraus, daß ich ohnedies nicht schlafen konnte, weil Master Ashford ächzte und sich wälzte und die ganze Nacht an seinen Flohstichen herumkratzte. Einmal hörte ich ihn aufschreien, und da freute ich mich, daß er schlecht träumte, weil ich seinetwegen die ganze Nacht kein Auge zutat. Und als ich am Morgen hörte, daß wir nicht nach Frankreich aufbrechen würden, ehe sich das Wetter gebessert hatte, da wurde ich noch verdrießlicher, denn es hatte den Anschein, als könnte das Wochen dauern.
    Und das Wetter wuchs sich zum Problem aus. Burg und Stadt waren gerammelt voll von Leuten, die der Prinzessin bis zu ihren Schiffen die Ehre geben und natürlich in Tuchfühlung mit allen nur möglichen bedeutenden Menschen sein wollten, die hier anzutreffen waren. Was als großes Fest begann, das verdarb der Regen völlig. Niemand durfte vor dem König aufbrechen, denn er ist der König, und der König wollte mit seinem Lieblingsschiff, das nach ihm benannt war, hinaussegeln und seiner Schwester zum Abschied ein Stück das Geleit geben. Doch da das nicht ging, konnte niemand abreisen, und so langweilten sich alle, und nicht einmal Karten, Würfel und Tanz boten genügend Kurzweil. Dann entdeckte mich Mylord Suffolk, und da er ein schlichtes Gemüt mit einem Blick für Frauen hatte, meinte er, man könne die Zeit auch damit totschlagen, daß ich eine Reihe Zeichnungen von den »großen Schönheiten des Hofes« machte. Er trug dem König seine Idee vor, und der fand es höchst bedauerlich, daß seine eigenen Hofmaler nicht anwesend waren, um sie auszuführen. Suffolk jedoch überzeugte ihn und half sogar dabei, die Damen auszuwählen. Und so hatte ich in der folgenden Woche alle Hände voll zu tun, und der König höchstpersönlich betrachtete meine Zeichnungen und erklärte, sie seien »sehr ähnlich«, was eine hohe Ehre ist.
    Doch schließlich schlug das Wetter um, und eine frische Brise schob die grauen Wolken am Himmel auseinander. An jenem Nachmittag kam Master Ashford in die Burg, als ich gerade Mistress Elizabeth Grey zeichnete.
    »Packt zusammen«, sagte er, als ich fertig war, »es geht los, morgen um vier Uhr in der Frühe mit der Flut.«
    »Aber die ›Elizabeth‹ ist doch noch nicht eingelaufen.«
    »Wir haben Nachricht, daß die ›Elizabeth‹ auf dem Weg nach Dover im Unwetter verschollen ist. Alles mußte neu geordnet werden. Der König segelt nicht auf der ›Great Harry‹, sondern kehrt nach Haus zurück. Gestern nachmittag ist Cavendish eingetroffen, und dieses eine Mal war er etwas nützlicher als ein nasser Waschlappen.« Die ›Elizabeth‹ verschollen? War das ein schlechtes Omen? Bei dieser prächtigen

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