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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Händler. Nicht zu glauben, Monsieur d'Amboise, aber der englische Gesandte wollte tatsächlich die Juwelen sehen, meine Morgengabe an die Königin, und er hat gebeten, daß alle nach England geschickt werden. Ich habe ihm gesagt, sie bekommt sie eins nach dem anderen, nach der Hochzeit, und sie muß jedes Schmuckstück mit vielen Küssen bezahlen.« Die Augen des Königs glitzerten voller Vorfreude, und ein wölfisches Lächeln huschte über sein von Krankheit gezeichnetes Gesicht.
    »Oh, wie recht, Majestät. Das wird eine erfreuliche Bezahlung sein.«
    »Ich kann nicht mehr warten. Ich muß sie sehen.«
    »Das geht nicht, Majestät. Bis zum offiziellen Empfang hier darf nicht einmal ein königlicher Bräutigam seine Braut sehen.«
    »Aber ich bin der König. Ich werde es einzurichten wissen… inoffiziell. Zufällig. Eine Jagdgesellschaft. Ich werde sie en route überraschen. Schickt Monsieur d'Angoulême, der zu ihrem Empfang nach Etaples geritten ist, Nachricht, daß meine Jagdgesellschaft rein zufällig im Wald von Anders zu ihnen stoßen wird. Er soll vorausreiten und alles richten.« Binnen Minuten verließ ein Eilkurier die Ställe mit der Botschaft, daß der König auf der Jagd Goldbrokat über Purpurrot tragen würde, damit Mary die Farben ihrer Reisekleidung darauf abstimmen konnte, denn die Sitte verlangte, daß der König und die Königin von Frankreich stets in die gleichen Farben gekleidet sein mußten, wenn sie in der Öffentlichkeit auftraten.

    Im Wald hingen die letzten goldenen Blätter an den Bäumen, die sich hoch über der schlammigen, ausgefahrenen Straße wölbten, welche das Gefolge der Prinzessin eingeschlagen hatte. Vor ihr ritten mehr als hundert Männer: Edelleute und Botschafter, uniformierte Knappen, Herolde, Stabträger, Trompeter. Hinter ihr folgte die Reihe der schweren vergoldeten Wagen mit ihrem riesigen Troß aus Damen, Dienerinnen und der umfangreichen Garderobe, alles quälte sich durch den Morast, und jeder Wagen wurde von sechs hintereinander angespannten großen Pferden gezogen. Eine Nachhut von zweihundert Mann folgte den Wagen, ihre militärische Eskorte, vermindert um die Soldaten, die mit der ›Lubeck‹ untergegangen waren. Als in der Ferne die Jagdhörner des Königs erklangen, hielt der Zug auf einer großen Wiese, die bereits braun und fleckig war, denn der Winter stand kurz bevor. Etwas weiter entfernt waren die leuchtenden Uniformen der königlichen berittenen Leibwache durch die Bäume zu sehen. Die zweihundert Soldaten der königlichen Jagdgesellschaft strömten auf die Lichtung, teilten sich und machten einer Gruppe von Edelleuten und Prälaten Platz, die den König umringte, so daß diese sich der englischen Gruppe nähern konnte. Darauf zogen sich die englischen und die französischen Edelleute zur gleichen Zeit zurück und ermöglichten die »zufällige« Begegnung. Die Prinzessin zügelte ihren weißen Zelter und spielte die Überraschte. Sie trug Goldbrokat und ein purpurrotes Hütchen, das sie sich keck schräg in die Stirn geschoben hatte. Ihr zarter, rosiger englischer Teint, ihre schlanke Gestalt und ihre strahlende Jugend entlockten den französischen Edelleuten, die neben dem König ritten, bewunderndes Gemurmel.
    »Aber ihr Haar – es ist ja rot«, flüsterte einer der französischen Adligen. Rotes Haar galt bei den Franzosen als Zeichen eines ungezügelten geschlechtlichen Appetits und von Hochnäsigkeit.
    »O nein, ganz und gar nicht, es ist golden«, antwortete ein taktvollerer Höfling.
    »Eher ein rötliches Gold«, setzte ein anderer hinzu. Hinter ihm wurde gekichert.
    »Hoffentlich hat sich der König mit der nicht übernommen.«
    Über dem Klirren und Knirschen des Zaumzeugs und dem Stampfen der Pferde waren Stimmen zu hören, die auf englisch widerwillig die prächtige Aufmachung des französischen Königs bewunderten. Berechnende Blicke schätzten auf beiden Seiten den Gesundheitszustand des ältlichen Herrschers ab.
    »Seht ihn Euch an, diesen Greis, wie er sich die Lippen leckt und wie ihm das Wasser im Mund zusammenläuft«, flüsterte der italienische Botschafter hämisch seinem Nebenmann zu. »Wenn der französische König die Frühlingsblumen noch erlebt, dann dürft Ihr auf fünfhundert Jahre hoffen.«
    Der König saß auf einem spanischen Kriegsroß, das Schabracken aus schwarz und golden kariertem Brokat trug. Er ritt jetzt auf sie zu, und sie neigte vor ihm den Kopf mit dem kecken Hütchen. Er lächelte und zügelte das Pferd.

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