Die Suche nach dem Regenbogen
meinem Buch, daß es einem Mann von Stand ein Vergnügen ist, seiner Dame auf diese Weise ehrenhaft zu dienen.«
»Du und dieses Buch«; brummelte Nan. »Du schwebst in den Wolken. Was machst du, wenn es regnet?«
»Soweit ich sehen kann, hat es gewaltig geregnet, Nan, und meine Wolken sind noch immer da. Ist dir nie der Gedanke gekommen, daß es mir vielleicht so gefällt? Ich bin erwachsen, Nan, ich kann wählen. Ich will in den Wolken schweben, statt durch die Gosse zu gehen.« Nan schüttelte den Kopf. Es klapperte, die Luken wurden geöffnet, Tageslicht strömte herein. Oh, wie roch nach dem Gestank von Erbrochenem und all den vielen Menschen unter Deck die Seeluft gut.
»Wo sind wir?« rief jemand zu den Seeleuten hinauf.
»Vor Boulogne. Wir sind in der Hafeneinfahrt auf Grund gelaufen. Ihr solltet die hohen französischen Herren sehen, die alle am Kai warten.« Nan und ich kletterten mit den übrigen auf das schiefe Deck, doch ich trennte mich nicht von meiner Kiste, auch wenn man uns sagte, das Gepäck bleibt da. Aber als ich dann an der Schiffsflanke hinunterblickte und die klitzekleine Strickleiter sah, die schaukelte und zappelte, und das klitzekleine Boot, das tief unten auf und ab tanzte, da hatte ich sogar ohne Kiste Angst vor dem Hinunterklettern. Ich muß wohl sehr erschrocken ausgesehen haben, denn ein netter Mann mit Ohrring, ein Seemann, lachte mich an und fragte, was denn in der Kiste wäre, meine Juwelen etwa? Und ich sagte, etwas viel Wichtigeres als das, es wären meine Farben, die ich brauchte, um mir den Lebensunterhalt zu verdienen, und wenn sie weg wären, würde ich kaum genau die gleichen wiederbekommen. Und da kletterte er selbst mit meiner Kiste hinunter und half Nan und auch mir, aber ich blieb mitten auf der Leiter stecken und konnte mich nicht mehr rühren, obschon mir die Leute vom Deck und unten aus dem kleinen Boot gut zuredeten und sagten, ich solle weitergehen und nicht anhalten, sonst hinge ich da noch am Sankt-Nimmerleins-Tag. Ich muß schon sagen, Seereisen sind wirklich nicht meine Sache.
Wir waren alle durchnäßt, und der Himmel war ganz grau und kalt, und das machte die Sache auch nicht besser. Es war alles sehr verwirrend, die Leute schrien, und die hohen Herren hielten Begrüßungsansprachen, und jeder schien jeden vergessen zu haben, vor allem aber so geringe Leute wie uns. Während man die Pferde vom Schiff holte, die hinter den Booten herschwimmen mußten, suchten Nan und ich uns ein Plätzchen zum Aufwärmen. Wir fanden eine Schenke mit dem Schild eines Riesen, der sich mehrere Schafe in den Rachen stopfte, und alles sprach Französisch. Aber in der fremden Sprache, die mir nur so im Kopf herumschepperte, war es schwierig, einen Platz am Feuer zu ergattern. Außerdem drängelten sich dort schon widerliche fremdländische Seeleute und sagten Sachen, die in meinen Französischlektionen nicht vorgekommen waren.
»Und ich dachte, du kannst Französisch«, sagte Nan, nachdem sie einem Mann, der mir an den Busen fassen wollte, eins mit der Hand übergezogen hatte.
»Ich kann auch Französisch. Richtiges Französisch. Das hier ist nicht richtig. Außerdem reden sie viel zu schnell.«
»Kurzum, wir sitzen in einem fremden Land fest, wo wir niemandem verständlich machen können, daß wir für unser Essen bezahlen wollen, anstatt unsere Gunst zu verkaufen. Was um Himmels willen tun wir jetzt?« So durcheinander hatte ich Nan noch nie erlebt.
»Wir werden uns etwas zu trinken bestellen«, erwiderte ich, und dann sagte ich in meinem allerschönsten Hoffranzösisch, daß wir gerade aus England gekommen seien, zum Gefolge der Prinzessin gehörten und zu essen und zu trinken haben wollten. Ich weiß nicht recht, ob es ganz richtig herauskam, denn alle lachten, und ein Mann blies sich auf und tat so, als wäre er eine Dame mit einer langen Schleppe, und andere wiederum riefen dem Besitzer genau meine Worte zu, und das auch noch mit meinem Akzent, denn den fanden sie vermutlich lustig, und eine große, gestreifte Katze kam zu mir und legte sich auf meine Füße. Kurzum, es ging zu wie im Brauhaus ›Zur Ziege und zum Krug‹, nur daß wir drinnen waren, was allemal ein Fehler ist. Dann kam eine Frau mit fremdländischem Kopfputz, drosch mit ihrem Besen auf alle ein und sagte schon wieder etwas, was ich nicht verstand, und ihr Mann kam und fragte, ob wir Geld hätten, und das verstand ich, und so ordnete sich schließlich alles.
»Siehst du wohl, Nan, ich kann doch
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