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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Französisch«, sagte ich, als wir es uns bei einen! sehr guten Würzwein und Hühnchen mit Brot gemütlich machten.
    »Nicht genug, das sieht doch ein Blinder. Was soll hier bloß aus uns werden?« sagte sie und blickte sich unglücklich in dem überfüllten Raum mit der niedrigen Decke und dem Fußboden aus gestampftem Lehm um. Ringsum drängten sich Seeleute aller Nationen, tranken und würfelten. In einer Ecke saß eine Frau einem Mann auf dem Schoß, und einige Betrunkene sangen, doch jeder etwas anderes. Aber das Feuer war groß und wärmte, und als wir wieder trocken waren, schöpften wir neuen Mut.
    »Nun, ich male alte Damen jung und junge Damen schön und alle Männer mit feurigem Blick, und wir sparen tüchtig Geld, und dann fahren wir wieder heim«, antwortete ich.
    »Das geht nicht«, sagte Nan. »Wolsey stellt dich nicht wieder ein, wenn du die Prinzessin verläßt, und die wird Königin und dann Königinmutter, und wir müssen bis an unser Lebensende unter all diesen Ausländern leben.«
    »Es wird schon alles gut, Nan, warte nur ab«, sagte ich. »Wir werden in einem Palast wohnen und uns nur noch in Seide kleiden.«
    »Ein französischer Palast«, brummte Nan.

    Es dauerte mehrere Tage, bis sich die Hochzeitsgesellschaft der Prinzessin wieder zusammengefunden hatte, und während wir auf Nachricht von den Schiffen warteten, machte ich mehrere Skizzen von den Damen in dem großen Haus, in dem die Prinzessin und ihr Hofstaat residierten. Während die großen Karren und die Pferde, die Zelte und die Gewänder für die Reise nach Abbeville bereitgemacht wurden, wo sie den französischen König heiraten sollte, kam uns zu Ohren, daß die ›Lubeck‹ untergegangen sei. Von den fünfhundert Soldaten und Seeleuten an Bord waren nur hundert gerettet worden, die es mit den treibenden Trümmern auf die Felsen gespült hatte. Alles freute sich, daß das Schiff nicht das Brautsilber an Bord gehabt hatte. Ich machte den Offizier ausfindig, der die Botschaft gebracht hatte, und traf ihn an, als er gerade sein Mietpferd in den Stall führte. Er war hohläugig und unrasiert und wirkte wie ein Gespenst in der festlichen Stimmung ringsum, wo livrierte Stallknechte sogar die Hufe der weißen Zelter vergoldeten und pfeifende Stalljungen sich mit klirrendem, frisch poliertem Zaumzeug vorbeidrängelten.
    »Seid Ihr der Mann von der ›Lubeck‹?« fragte ich, und als er meine Stimme hörte, kehrte er der Bucht den Rücken zu.
    »Ja, das bin ich«, sagte er bedächtig.
    »Ich… ich hätte gern Nachricht. Von einem Mann… und einem Jungen.« Er machte eine grimmige Miene und schwieg.
    »Auf der ›Lubeck‹ waren sechs Jungen. Keiner ist an Land gespült worden.«
    »Nein… kein Schiffsjunge. Ein Junge in rotbraunem Lederwams und grauer Kniehose. Braunes Haar. Gerade erst vierzehn Jahre alt.«
    »Euer Sohn?«
    »Nein, mein Lehrjunge. Er… er hat mir die Farben zerstoßen.«
    »Den habe ich nicht gekannt. Stand er auf der Liste?«
    »Vielleicht… vielleicht auch nicht.«
    »Dann kann es sein, daß er noch lebt. Man hat die Überlebenden nach Calais gebracht, wo viele krank daniederliegen. Ihr könntet Nachricht schicken. Habt Ihr gerade ›Farben‹ gesagt? Dann müßt Ihr die Malerin sein, von der ich gehört habe.«
    »Dann habt Ihr mit meinem Jungen gesprochen? Ihr habt ihn also gesehen – ehe das alles –«
    »Nein, mit Wolseys Mann. Ashburn oder so ähnlich. Der hat andauernd zur ›Great Harry‹ hinübergestarrt, bis wir sie aus den Augen verloren haben. Er hat mir erzählt, dort an Bord gäbe es eine Frau, die sei Malerin und wolle nach Frankreich. Er hat gesagt, er wäre verloren, lebendig oder tot. Das hat ihm wahre Heldenkräfte verliehen, als uns der Sturm packte.« Der Mann sah mich mit hohlem Blick an und schüttelte den Kopf. »Komisch. Ihr seht mir gar nicht nach einer Verführerin aus. Er hat mich gefragt, ob ich schon einmal eine verhängnisvolle Zuneigung empfunden hätte. Ich habe ihm gesagt, so was würde mir nicht im Traum einfallen.« Master Ashford. Hatte er das alles hinter einer abweisenden Fassade und harten Worten verborgen? Hatte mich mein Gefühl doch nicht getrogen?
    »Dann wurde auch er gerettet?«
    »Er? Nein. Man erzählt sich, er hätte sich auf dem oberen Geschützdeck befunden, als sich die Kanonen losrissen. Wie ich gehört habe, hat es ihn zermalmt, Mistress, und über Bord gespült. Ihn und die anderen. Tot. So viele tot. Ihre Brustharnische haben sie nach unten gezogen. Ich

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