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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Gegenrichtung auf. Dick vermummt gegen die Kälte, zogen Scharen von Edelleuten mit ihren Packeseln dahin. Unter einem stahlgrauen Himmel folgten ihnen auf der morastigen Landstraße zu Fuß Hunderte von Dienern, die ihre gesamte Habe auf dem Rücken trugen. Vor ihnen lag Boulogne und eine gefährliche spätherbstliche Kanalüberfahrt.

Kapitel 17
    W ie konnte man einen Advokaten nur so nahe bei der Kirche begraben? Da muß uns doch jemand hören.« Es hatte gerade Mitternacht geschlagen, und der Halbmond am schwarzen Himmel schien sich in den kahlen Ästen über dem kleinen Dorfkirchhof verfangen zu haben. Hinter ihnen schimmerte das graue steinerne Geviert eines normannischen Kirchturms matt im Mondschein.
    »Wie konnte er sich nur in diesem Dorf beerdigen lassen und uns dadurch soviel Mühe machen, Herr«, sagte ein stämmiger Mann mit Fackel und Schaufel.
    »Der elende Kerl hätte in ungeweihtem Boden bestattet werden müssen. Schließlich ist es seine Schuld, daß er tot ist. Warum mußte er mir in die Quere kommen. Wenn Ihr mich fragt, so ist das reiner Selbstmord.« Crouch lachte kurz über seinen Witz. »Aber jetzt kann er mir nichts mehr verweigern.« Septimus Crouch sah sehr zufrieden aus, als er seinen langen weißen Zauberstab hervorholte. Heute nacht würden die Toten reden, und er würde den mittleren Teil des Buches der Weissagungen in die Hände bekommen. Typisch Ludlow, daß er auch noch im Tod ein Trottel war. Crouchs Helfer, sein Koch und sein Lakai, senkten die Fackeln, damit er die richtige Mixtur aus Bilsenkraut, Schierling, Opium und Alraune in die Flammen sprenkeln konnte. »Jetzt«, schnaufte Crouch, den schon der kurze Gang vom Maultier bis zum Grab außer Atem gebracht hatte, »den Kreis.« Er zog das Schwert und ritzte damit, entgegen dem Uhrzeigersinn, einen Kreis in die Erde rund um Ludlows Grab. Der aufgeweichte Boden, der über dem Sarg noch nicht nachgegeben und sich gesetzt hatte, war rasch ausgehoben, und dann hörte man Eisen auf Holz stoßen.
    »Berald, Beroald, Baibin, Gab, Gabor, Agaba, erhebt Euch, erhebt Euch, ich rufe und befehle Euch«, intonierte Crouch und berührte den Sargdeckel mit dem langen Zauberstab.
    »Damit würde ich mich an Eurer Stelle nicht abgeben«, sagte eine verschlagene, anzügliche Stimme. Crouch warf einen raschen Blick über die Schulter in Richtung Friedhofstor.
    »Oh, da bin ich nicht, ich bin hier oben«, sagte die Stimme. Sie hatte etwas an sich, daß sogar Crouch eine Gänsehaut bekam. Seine Helfer, die durch die Experimente ihres Herrn gründlich abgebrüht waren, blickten entsetzt auf. Etwas Rauchiges, fast wie Atem an einem kalten Tag, wirbelte über ihnen und unmittelbar über dem Sarg.
    »Hebe dich hinfort, Dämon oder Geist, was du auch immer bist«, sagte Crouch und hielt ihm den Talisman entgegen, den er um den Hals trug.
    »Hebe dich hinfort, ha, papperlapapp«, sagte der Dämon, denn ein solcher war er. In dem nebligen grauen Umriß, der im Mondschein schimmerte, konnte Crouch ein häßliches Wesen mit langer Nase, kleinen, schmalen Augen, buschigen Brauen, dürren Armen und langen, häßlichen Fingern ausmachen. Die Gestalt war vollkommen nackt. Hmm, ein Ziegenschwanz, stellte Crouch fest. Und haarige Beine wie die einer Ziege. Aber die langen, mageren Füße mit den knubbligen Zehen und dem Haarbüschel auf jedem Knubbel, die waren ganz und gar nicht die einer Ziege. Und obendrein besaß das Geschöpf eine männliche Ausstattung, wie sie Ziegen ganz und gar abging. Ich glaube, ich weiß, wer das ist, dachte Crouch, der Hexenmeister. Wie interessant – was man wohl mit ihm anfangen kann? Schließlich habe ich es nicht mit einem hellen Kopf wie Luzifer zu tun.
    »Lord Belphagor, was bewegt Euer Gnaden dazu, meinen bescheidenen Versuch der Totenbeschwörung zu beehren?« sagte Crouch. Er schenkte dem wirbelnden grauen Wesen einen strahlenden Blick und verneigte sich affektiert.
    »Ihr habt es verkehrt angestellt«, sagte Belphagor. »Auf diese Weise bekommt Ihr seinen Leichnam niemals auf die Beine.«
    »Was soll das heißen? Ich esse seit neun Tagen Hundefleisch, und seit dem gestrigen Sonnenuntergang trage ich ein benutztes Leichentuch. Ich glaube, daß ich alles richtig gemacht habe. Schließlich unterhaltet Ihr Euch nicht mit einem Stümper.« Crouch klang überheblich und selbstsicher.
    »Ihr habt Salz gegessen«, antwortete Belphagor.
    »Habe ich nicht«, sagte Crouch.
    »Herr«, sagte der Koch. Crouch fuhr zu ihm herum und ließ

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