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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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gesehen, wie er gemordet hat und weggegangen ist, als wäre er mal eben bei einem Abendessen gewesen. Er hat den Advokaten Ludlow umgebracht, und alles wegen eines Buches, das es kaum wert gewesen sein dürfte. Das war wohl Schicksal. Ludlow hatte mir nämlich die Wiege weggenommen, und die war verflucht, weil das Kind darin gestorben ist. Und jetzt ist Crouch auch in Paris. Ich habe die größten Schwierigkeiten, mich vor ihm zu verstecken.«
    »Hier? Susanna, weiß er, daß Ihr hier seid?«
    »Ich glaube nicht. Er zieht dieser Tage mit einem gräßlichen italienischen Kerl herum.«
    »Signor Belfagoro. Ich weiß. Für die Engländer ist er ein Held. Und selbst die Franzosen umwerben ihn jetzt. Ich wage schon gar nicht mehr, etwas gegen ihn zu sagen, die beiden werden einfach über den grünen Klee gelobt. Gleichwohl bin ich überzeugt, daß sie nichts Gutes im Schilde führen.« Er schüttelte langsam den Kopf, und seine Augen blickten ernst.
    »Seid Ihr ihretwegen hier?«
    »Wohl kaum, aber ich würde mich freuen, wenn es sich so verhielte.«
    »Warum freuen?«
    »Weil damit ein Rätsel gelöst wäre. Es gibt Leute, die sich verschworen haben, das Bündnis zunichte zu machen. Sie glauben, wenn es fehlschlägt, dann stürzt auch das Haus Valois, und sie gelangen an die Macht. Ich soll nun herausfinden, wer zu dieser Geheimorganisation gehört und wer der Kopf ist. Ich habe mich viel zu lange in Calais aufgehalten, weil ich geglaubt habe, die Kapitäne dort könnten mir weiterhelfen. Aber nein, er ist trotz seines Namens kein Seemann.«
    »Da bin ich aber froh. Von Seeleuten habe ich genug, vor allem von Kapitänen.«
    »Wenn Ihr Euch unter den hohen Herrschaften bewegt, haltet die Ohren für mich offen, für den Erzbischof und für England. Irgendwo, höchstwahrscheinlich bei Hofe, gibt es einen mächtigen Mann, der sich der Steuermann nennt.«

    Im großen Saal in Les Tournelles hingen seltene Gobelins und Seidenfahnen, die mit Tudor-Rosen und König Ludwigs Wildschwein geziert waren. Oben auf der Galerie spielten Musikanten auf, und auf dem Parkett wimmelte es von Tänzern beiderlei Geschlechts, als Suffolk, der Sieger, die Königin durch die ersten Figuren des Tanzes führte. Wer sich zu alt fühlte oder von dem Turnier noch zu erschöpft zum Tanzen war, gab sich damit zufrieden, an der Wand zu stehen, zu klatschen und die Anmut der Damen und die eleganten Gestalten der Herren zu bewundern. Auf der Estrade saß der König auf einem hohen, gepolsterten Stuhl neben einem ganz ähnlichen, der noch warm vom Abdruck des jugendlichen Körpers der Königin war. Wie es sie zu tanzen verlangt hatte! Zuerst hatten ihre Finger auf der Stuhllehne getrommelt, dann hatten auch ihre Füße geklopft, und er konnte hören, wie sie im Takt der Musik atmete. Doch dem alten König taten die Gelenke zu weh, als daß er sich auf das Tanzparkett wagen konnte, und allmählich verübelte er der jungen Königin ihre Leichtfertigkeit, ihre animalische Freude, ihre Begeisterung. Vielleicht hätte er doch lieber die ältere Schwester heiraten sollen. Eine gefestigtere, nüchterne Frau, die nicht so gern tanzte. Am Abend zuvor – dem Abend nach Suffolks Triumph über den hünenhaften Herausforderer – hatte er ihr wieder einen Edelstein geschenkt, doch anscheinend hatte sie sich nicht so darüber gefreut wie sonst. Sie errötete nicht oder klatschte in die Hände, und ihr Dankeskuß fiel kühl aus wie eine Pflichtübung.
    Sie hatte bereits mit d'Alençon und mit Dorset getanzt und wirbelte jetzt mit Suffolk herum. Der Dauphin jedoch hat sich wie ein Ausbund an Korrektheit benommen, sinnierte der König. Er wird erwachsen, begreift allmählich, was seine Pflicht ist. Da war er ja, brachte seiner Herzogin einen Becher. Claude – wie sie ihrer Mutter doch ähnelt, dachte der König. Angenommen, wie bei ihrer Mutter bleiben nur ihre Töchter am Leben? Das Haus Valois steht auf dem Spiel. Daraus kann noch ein Bürgerkrieg entstehen. Eine Katastrophe. Er mußte, er mußte mit seiner neuen Frau einen Sohn zeugen. »Monsieur«, sagte er und winkte Franz zu sich heran. »Die Königin tanzt zuviel mit dem englischen Herzog. Bringt sie zu mir zurück.« Während er zusah, wie sie auf ihren Stuhlkissen hin- und herrutschte und den Flunsch kaum verbergen konnte, ging ihm auf, daß ihr die stillen Abende, die ihm so gefielen, nicht zusagen würden. Er mußte sie beschäftigen, er mußte sie vergnügen, er mußte beweisen, daß er im Herzen noch immer

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