Die Suche nach dem Regenbogen
St.-Nikolaus-Tag ganz in ein Porträt der Mätresse Charles' VII. vertieft hatte, die Maître Jean Fouquet als Heilige Jungfrau wirklich anstößig in kaum bekleidetem Zustand gemalt hatte, und bei mir dachte, hätte er die weibliche Anatomie besser gekannt, er hätte ihre rechte Brust gewißlich nicht als große Kanonenkugel gemalt, die praktisch an der Schulter ansetzte, hörte ich hinter mir in der Galerie Schritte. Nan war vor lauter Langeweile auf einer Bank eingenickt, ihr Flickzeug rutschte ihr fast vom Schoß, und ein paar häßliche Katzen rieben sich den Kopf an meinem Rock, so als hätte ich Futter für sie, was aber nicht der Fall war. Ich hielt mein Vergrößerungsglas in der Hand, weil ich den Pinselduktus auf den Draperien eingehender betrachten wollte, hatte mich ganz darauf gesammelt und blickte mich daher auch nicht um.
»Nicht so unbekleidet wie Evas Versuchung und auch nicht so rosa«, sagte eine Stimme hinter mir. Draußen prasselte der Regen auf die Bleidächer und floß in Strömen an den hohen Türmen herunter. In der Galerie war es kalt, und es stank nach Urin. Ich drehte mich um, und da stand Robert Ashford wie ein Geist in einem feuchten grauen Umhang.
»Master Ashford! Man hat mir erzählt, Ihr wärt tot, und dann habe ich Tom getroffen, und der hat gesagt, Ihr lebt. Aber… aber ich dachte, Ihr wärt nach England zurückgekehrt.«
»Man hat mir gesagt, daß ich Euch hier finde.« Ashford kam näher, und da sah ich, daß er humpelte. Und sein Gesicht sah auch anders aus. Eine frische bläuliche Narbe zog sich über seine linke Schläfe, und er hatte sich die Nase gebrochen. Sie war jetzt etwas schief, und die Linie von der Nasenwurzel zur Spitze war auch nicht mehr gerade, sondern ein wenig krumm, wenn auch keine Hakennase.
»Tom ist ein guter Junge. Er ist bei mir geblieben, als ich… er ist geblieben. Wir haben uns unterhalten. Ihr habt recht gehabt. Da war wirklich ein Mörder, und es ist jemand, den ich kenne und dessen Wort ich vertraut habe. Wußtet Ihr, daß Tom Euch liebt?«
»Schon lange. Aber ich habe ihm nicht den Kopf verdreht. Ich wußte, er würde es auswachsen und etwas Passenderes finden.«
Ashford schwieg wie in Gedanken versunken. »Während ich… krank… daniederlag, man hatte mich nämlich aufgegeben… während ich in Calais war, hat mich eines verfolgt. Es gibt etwas, was nur Ihr mir sagen könnt. Dann gehe ich auch und belästige Euch nie wieder. Wie ist… wie ist Euer Mann ums Leben gekommen?«
»Master Dallet wurde im Bett ermordet, als er bei der Frau eines anderen war. So! Seid Ihr nun zufrieden? Warum müßt Ihr alte Dinge ausgraben, die mir weh tun?«
»Ich muß wissen… woher wußte der Ehemann, daß er genau in diesem Augenblick nach Haus kommen mußte?«
»Ihr meint Captain Pickering? Das habe ich erst später erfahren. Jemand hat ihm einen Brief geschickt. Ich habe herausgefunden, daß der Mann Ludlow hieß – ein furchtbarer Aasgeier und Advokat, der auf alles aus war, was mein Mann besaß und nicht herausrücken wollte.«
»Ludlow. Es paßt. Alles paßt. Sagt mir, wart Ihr traurig, als er starb?«
»Stellt man einer Witwe wohl solch eine Frage? Ich dachte, Ihr hättet Euch verändert, ich dachte sogar, ich würde mich freuen, Euch wiederzusehen, aber jetzt merke ich, Ihr seid ganz der alte! Grob und neugierig! Na schön, er hatte mich furchtbar angelogen, nämlich gesagt, daß Mistress Pickering humpeln würde und ein schreckliches Muttermal hätte und er nur wegen des Geldes zu ihr ginge. Wie würdet Ihr Euch da vorkommen? Und dann seine Leiche einfach zu Hause abgeladen bekommen, ohne daß Ihr Geld für die Beerdigung habt? Er hat genau das bekommen, was er verdient hat, und Ihr auch, finde ich, und ich schlage mich auch ohne Männer durch, und wenn ich alt bin, dann nehme ich den Schleier und male bis zu meinem Tode Engel für irgendein Kloster. Männer. Sie ändern sich nie, sie sind gemein und hochnäsig und untreu, einer wie der andere! Ich bin frei, und das bleibe ich auch und ernähre mich von dem Gewerbe, das mein Vater mich gelehrt hat! Meinetwegen können die Männer allesamt zur Hölle fahren!«
Bei dem ganzen Geschrei auf Englisch wachte Nan mit einem Ruck auf, und ihr Flickzeug fiel zu Boden. Die Katzen verzogen sich und versteckten sich im Kamin der Galerie, in dem zwar ein Holzfeuer angelegt, jedoch noch nicht entzündet worden war.
»Euer Vater hat Euch angelernt?«
»Natürlich. Er war ein wunderbarer Lehrer. Wie
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