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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Früher hatte alles so einfach gewirkt, das König-Sein. Jetzt auf einmal überlegte er, ob er jemals so fähig, so beliebt wie der alte Mann sein würde, der neben ihm im Sterben lag. Langsam verging die Zeit, die Kammerherren entzündeten Kerzen, und die brannten herab. Gegen elf Uhr abends tat der König in Franz' Armen den letzten Atemzug.
    »Fleurange, es ist vorbei«, sagte Franz steif und erschöpft, als er nach Mitternacht das Sterbezimmer verließ. »Schickt nach meiner Mutter und meiner Schwester.«
    Am Morgen verließ ein Bote Paris in gestrecktem Galopp in Richtung Romorantin, während man die Eingeweide aus dem Leichnam des Königs entfernte, ihn einbalsamierte und in den Staatsroben aufbahrte. Als der Leichnam des Königs eingesargt und im Trauerzug durch die schwarz verhangenen Straßen zur Kathedrale von Notre Dame getragen wurde, war Louise von Savoyen bereits mit ihrer Tochter unterwegs.

    »Da seht Ihr, wie einfach es ist. Die Gußformen haben sich wunderbar gelöst. Und so sehen Eure Hände verkehrt herum aus. Und jetzt nehmen wir die Gußformen und gießen Eure Hände in Gips.« Wenn das nicht sehr schöne Hände waren! Der Rest war auch nicht schlecht, aber ich konnte mir nicht vorstellen, daß er sich jemals zu etwas so Unwürdigem herablassen würde, wie Modell für mich zu stehen, und außerdem würde er beleidigt sein, daß ich überhaupt auf die Idee gekommen war. Ich muß es aufgeben, mehr als Frauen und Propheten in langen Gewändern ist für mich nicht drin, dachte ich, denn selbst wenn ich einen Mann zum Modellstehen anheuerte und einhundert ehrbare Frauen dazu einlüde, würden alle, die nicht dabeigewesen waren, gewiß denken, es hätte sich Unzüchtiges abgespielt.
    Auch so schon dachten Schnüffler wie die Vermieterin, daß ich es in meinem Atelier schlimm triebe, nur weil er anwesend war, und dabei war Nan doch auch zugegen, obschon sie so tat, als strickte sie emsig und musterte meine Vögel, die prächtig gediehen. Master Ashford, der mir einen Beutel Hirse geschenkt hatte, betrachtete sie ein Weilchen, und ich dachte, er hat ein gutes Herz, denn mittlerweile hatte mich die Erfahrung gelehrt, daß sich hinter einem gefälligen Äußeren Niedertracht verbergen kann wie bei den bigotten Heuchlern, von denen man so hört, und Master Dallet hätte meinen Vögeln nie im Leben Hirse mitgebracht.
    »Sie kommen mir sehr sonderbar vor. Aber auch lebensecht. Kann man den Abguß bemalen, oder bleibt er weiß?«
    »O ja, man kann ihn bemalen, doch dafür muß man ihn erst versiegeln, weil das Material porös ist. So stellt man die billigen Heiligen für Kirchen her. Die naturgetreuesten Abgüsse sind jedoch aus farbigem Wachs. Das ist so durchsichtig, daß es menschlichem Fleisch ähnelt.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wozu jemand das haben will.«
    »Aber ja doch, Wachsstatuen für Begräbnisse, falsche Reliquien, heilige, unverwesliche Leichname, so etwas.«
    »So macht man das also«, sagte er mit einem äußerst eigentümlichen Lächeln.
    »Oh, ein guter Kunsthandwerker muß sich in vielerlei auskennen. Der Reliquienhandel ist lukrativ. Lukrativer als die weinenden Statuen.«
    »Susanna, ich kenne keinen ehrlichen Menschen, der soviel sündhaftes Wissen angesammelt hat wie Ihr. Kein Wunder, daß die Versuchung zum Betrug so groß ist.« Er goß Wasser in ein Becken, weil er sich die Hände waschen wollte.
    »Und ich kann ihr vermutlich nicht widerstehen. Als ich klein war, habe ich meinem Vater zugesehen, wie er mehrere hervorragende Schweißtücher der Veronika angefertigt hat. Etwas Mennige mit einem Hauch Umbra vermischt, falls ich mich recht entsinne. Die Farbe von getrocknetem Blut muß genau stimmen. Und das Leinen muß auch alt sein.«
    »Das ist ja furchtbar.«
    »Master Ashford, habt Ihr schon einmal nachgezählt, wie viele Schweißtücher der Veronika es auf der ganzen Welt gibt? Mein Vater war bei weitem nicht der einzige. Nur Christi Leichentücher, damit hat er sich nicht abgegeben. Zuviel Stoff, zu wenig Gewinn. Die ganze Figur, versteht Ihr. Und Mönche zahlen nicht nach Zoll.«
    »Und ich habe einst eine Pilgerfahrt zu einem heiligen Leichentuch gemacht. Jetzt schäme ich mich, wenn ich daran denke, daß ich geweint habe.«
    »Aber nicht doch. Es ist doch gut, wenn man den Leidensweg unseres Herrn beweint. Das Leichentuch hat nur ein wenig nachgeholfen, mehr nicht.«
    »Susanna, Ihr seid stets für eine Überraschung gut.«
    »Gebt zu, Ihr mögt es, daß ich nicht

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