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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Tauben aus: »Tauben! Hübsch und fett!« – »Nein, nein, probiert meine Stare. Sehr lecker in der Pastete!« – »Singvögel, Singvögel!«
    »Die da singen doch gewiß nicht«, sagte Master Ashford und blieb vor einem alten Mann mit einem Käfig voller Finken stehen. »Und zum Essen sind sie auch zu klein. Wozu sollen die gut sein?«
    »Zum Verkaufen«, sagte der Mann, als wäre damit alles erklärt.
    »Robert, sie sind für sich selber gut. Wie winzig sie sind und wie vollendet in den Farben, jede Feder am rechten Fleck. Davon passen ja drei in meine Hand. Sie erinnern mich an meine Bilder. Was fressen sie?«
    »Weiß nicht. Füttere sie nicht. Fange sie nur.«
    »Wahrscheinlich Hirse«, sagte Master Ashford.
    »Und ich dachte, Brotkrumen. Woher wißt Ihr, was Vögel fressen?«
    »Ach, als ich noch ganz klein war, habe ich den Vögeln im Winter Krumen auf meine Fensterbank gestreut. Ich dachte, wenn ich sie jeden Tag mit Futter anlocke, bringe ich sie dazu, mir aus der Hand zu fressen. Ich weiß, was Vögel mögen.«
    »Hat es geklappt?«
    »O nein. Mein älterer Bruder hat gewartet, bis sie zahm waren, dann hat er Leim auf das Fensterbrett gestrichen, sie gefangen und alle umgebracht. Und meine Mutter hat sie gekocht. Man tut Vögeln keinen Gefallen, wenn man sie füttert. Man sollte sie lieber in Ruhe lassen.«
    »Ach«, sagte ich voller Mitgefühl und konnte dennoch den Blick nicht von den winzigen, vollkommenen Vögeln losreißen, die Gott mit seinem Pinsel so klitzeklein in sanften Abstufungen von Grau und Braun gemalt und in einem milden, lieblichen Gelb, das fast ein Grün war, gesprenkelt hatte. »Seht, die beiden mögen sich. Sie sitzen zusammen auf der Stange.«
    »Das sehe ich auch«, sagte er, und ehe ich protestieren konnte, handelte er schon den Preis für die Vögel aus, für alle sechs und dazu noch den Käfig.
    »Dann soll ich ihnen nicht für Euch den Hals umdrehen?« fragte der Vogelhändler.
    »Nein, ich will sie lebendig haben. Mit dem Käfig.«
    »Master Ashford, woher habt Ihr gewußt, daß ich mir diese Vögel wünschte?« fragte ich, als wir anschließend zusammen die enge Straße zum Pont au Change entlanggingen, ich mit einem Arm in seinem und er mit dem großen, hohen Weidenkäfig in der anderen Hand, in dem die kleinen Vögel piepsten und flatterten.
    »Ich weiß Bescheid«, sagte er. »Ich weiß beispielsweise, daß eine Frau mit gesundem Menschenverstand mir einen leisen Wink gegeben und um einen Elfenbeinkamm oder einen kleinen Silberspiegel gebeten hätte, den sie am Gürtel tragen kann, vielleicht auch um eine Kette.«
    »Mir gefallen Vögel besser. Seht nur, die kleinen schwarzen Augen. Seht, der da zwinkert. Sie sagen mir, daß kleinformatig zu arbeiten nicht minderwertig ist.«
    »Gott arbeitet hervorragend in kleinen Formaten«, sagte er, doch er sah dabei nicht die Vögel an, sondern blickte zu mir herunter. »Ich freue mich, daß Euch die Vögel am besten gefallen.« Warum machte es mich so glücklich, einfach mit ihm spazierenzugehen? Ich fürchtete mich vor dieser Art Glück. Es war mir gewiß nicht bestimmt.
    »Gibt es im Süden mehr Vögel?«
    »Oh, noch viel mehr. Sie fliegen für den Winter dorthin. Und noch weiter, nach Afrika, wo es immer warm ist. Aber auch im Süden gibt es sie in Hülle und Fülle. Und Antworten fand ich dort, wenn auch nicht genug. Ich habe einen alten Mönch gesehen, der mir erzählt hat, in der Festung Montségur läge ein Geheimnis verborgen. Was ich bezweifle, weil nämlich viele Menschen die Ruinen nach Schätzen durchsucht haben, seitdem man die ketzerischen Katharer vernichtet hat. Doch das Geheimnis – oder das angebliche Geheimnis – ist an eine Art Geheimkult gebunden, an Fanatiker, die die Merowinger wieder auf den Thron bringen wollen. Warum, das weiß ich auch nicht. Die Merowinger waren die untauglichsten Könige, die es überhaupt gegeben hat. Die ›Taugenichts-Könige‹, so hat man sie genannt, und Frankreich kann froh sein, daß es sie los ist.«
    Die Mietshäuser zu beiden Seiten hatten prächtigeren Behausungen Platz gemacht, Stadthäusern der wohlhabenden Kaufleute und des niederen Adels. Dunkle, geschnitzte Türen, über denen Wasserspeier angebracht waren, hohe Fenster mit Ornamenten und spitze Türmchen zierten diese Häuser aus Stein. Durch Nebeneingänge liefen Dienstboten ein und aus, und hier und da standen schwer bewaffnete echte Schweizergardisten Wache.
    »Es geht mir jedenfalls gegen den Strich,

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