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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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war das? Hat er etwas gesagt?«
    »Es war eher ein Gezwitscher.«
    »Es muß ein Vogel gewesen sein. Ja, ein großer Vogel.«
    Hadriel. Er war hier in Paris und hatte nicht einmal bei mir vorbeigeschaut. Gar nicht nett, wo ich so hart gearbeitet hatte und so dringend Erleuchtungen brauchte. Unzuverlässig, einfach unzuverlässig. Aber Streiche spielen und andere an der Nase herumführen. Wahrscheinlich hatte er wieder getrunken, das erklärte alles. Aber wie sollte ich der Herzogin beibringen, was vorgefallen war, ohne wie von Sinnen zu wirken?
    Augenscheinlich war den anderen dieser Gedanke auch schon gekommen. Sie waren eifrig dabei, sich die Geschichte zurechtzubiegen.
    »Man hat versucht, ein Kind in der Bettpfanne einzuschmuggeln.«
    »Ja, ein Kind.«
    »Aber als man die Frau entdeckte, ist sie geflohen, ehe jemand sie festhalten konnte.«
    »Sehr schnell. Wahrscheinlich ein verkleideter Junge, sie war so schnell.«
    »Ja, ein Junge in Frauenkleidern.«
    »Sie hat das Kind mitgenommen.«
    »Ja, hat es sich einfach geschnappt.«
    »Sie hat uns abgelenkt.«
    »Ja, und ein lebendiger Vogel hat sich im Schornstein verfangen.«
    »Hier gibt es gar keinen Schornstein.«
    »Er hat sich im Schornstein des Vorzimmers verfangen und ist hereingeflogen, als der Junge mit der Bettpfanne kam.«

    »…und man hat also etwas Großes, Geflügeltes statt des Kindes, wie die Verschwörer offenbar geglaubt haben, in die Bettpfanne getan, und das flog einfach heraus, und jemand rief: ›Ein Streich! Der Steuermann soll das nächste Mal genauer hinsehen, wenn er Kinder kauft!‹, und jetzt glauben alle, daß ein Kind drin gewesen sein muß.« Ich war in das Palais gegangen, in das Franz umgezogen war, nachdem der König in Les Tournelles gestorben war. Die Herzogin saß auf ihrem großen gepolsterten Stuhl am Feuer, nickte und lächelte über meine Geschichte. Es waren auch noch mehrere ihrer Damen zugegen, die, mit denen sie immer so gern über Tugend und vollkommene Minne und dergleichen mehr disputierte.
    »Ende gut, alles gut. Da hatte jemand Sinn für Humor. Jemand, der die Verschwörer kennt und auf unserer Seite ist. Das ist sehr diskret gelaufen.«
    »Wenn Ihr mich fragt, so wurde die Verschwörung von Männern ausgeheckt.«
    »Und wieso meint Ihr das?« fragte sie.
    »Weil nur Männer nicht bis neun zählen können, wenn es ums Kinderkriegen geht. Keine Frau auf der ganzen Welt würde versuchen, jemandem vier Monate nach der Hochzeit ein Neugeborenes unterzuschieben.« Die Damen lachten Tränen, dann wischten sie sich die Augen mit ihren seidenen, pelzgefütterten Ärmeln.
    »Genau das habe ich Mutter auch schon gesagt«, meinte Herzogin Marguerite. »Ach, war sie ärgerlich, als sie die Gerüchte hörte! ›Ehrenwort, ich lasse sie alle hängen!‹ ist sie herausgeplatzt, aber ich habe nur gesagt: ›Laß sie ihr Komplott ruhig aushecken und hineinschmuggeln, was ihnen beliebt. Welche Frau, die noch ihre fünf Sinne beisammen hat, würde ein Kind annehmen, was bewiese, daß sie am Hochzeitstag nicht mehr Jungfrau war?‹«
    »Nun gibt es nichts mehr, was den Krönungstag für den König, Euren Bruder, trüben könnte«, sagte eine der Damen erfreut.
    »Zumindest nichts von dieser Art«, sagte Marguerite. »Der Steuermann. Wer mag das sein, und wie um alles auf der Welt konnte er sich auf einen so lachhaften Plan einlassen?«

    Auf dem linken Seine-Ufer, nicht weit entfernt vom Hôtel Cluny, beschäftigte sich ein unglaublich dürrer Student der Theologie in seinem eisigen kleinen Dachstübchen mit höchst merkwürdigen Dingen. Er hatte mit dem Eßmesser einen Zauberkreis um sich geritzt und rings um ihn Wörter in Hebräisch und Latein geschrieben, die er dem Zauberbuch entnommen hatte, das er jetzt in der Hand hielt. Vor ihm auf dem Fußboden stand eine Schüssel mit qualmenden, übelriechenden Kräutern: Gartenraute, Alraune und Nieswurz. Außerhalb des Kreises lag eine kleine, geöffnete Bleikiste vom Durchmaß einer Männerhand. Nicholas las laut, aber langsam und vorsichtig, damit er ja keinen Fehler machte: »Beim Siegel des Basdathea, beim Namen des Primematatum, den Moses aussprach, woraufhin sich die Erde auftat und Corah, Dathan und Abiram verschlang, erfülle all meine Forderungen und führe all meine Wünsche aus. Belphagor, stelle dich ohne Verzug ein, friedlich und schön gestaltet.«
    »Du widerlicher, kleiner Schwachkopf, was zum Teufel treibst du da?« Belphagor manifestierte sich vor dem Kreis in einem

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