Die Suche nach dem Regenbogen
Deckel zu. Da lag es nun in seinem eisernen Gefängnis, das Kind, das ihre Zukunft und Frankreichs Zukunft verändern würde. Wieviel doch von ihm abhing! Bald würde Frankreich einen neuen Erben haben und eine neue Regentin. Franz würde entthront werden. Die Abtei und ihr Führer würden die Regierung kontrollieren und Franz, den letzten Valois, vernichten, sobald es politisch angängig war.
Die beiden Männer waren sich der Bedeutung des Augenblicks bewußt, während sie zusahen, wie die Fackel hüpfte und die Treppe hinunter in der Finsternis des Kellers verschwand, sodann schlüpften sie geräuschlos in das Gäßchen und erstatteten dem Steuermann Bericht.
Es dämmerte bereits, als ich mit meiner Eskorte auf dem von steinernen Mauern umfriedeten Hof des Hôtel de Cluny eintraf. Ein Türsteher holte mich am Eingang ab, trug mir den Kasten und führte mich durch all die unübersichtlichen kleinen Räume zum Schlafgemach der Weißen Königin. Mehrere Posten lümmelten vor der Tür herum, als warteten sie auf gar nichts. Madame de Nevers war für heute gerade gegangen, und eine Dienerin kam, die das Bett aufschlagen und anwärmen wollte.
»Halt«, sagten die Wachen, als ich mich der Tür näherte. »Wir müssen erst prüfen, was drin ist.« Der Türsteher stellte meinen Kasten auf dem Fußboden ab. »Und Ihr auch«, sagten sie zu der stämmigen Frau mit der Bettpfanne.
»Nichts als heiße Kohlen«, sagte die Frau. »Ihr verbrennt euch bloß die Finger, wenn ihr den Deckel anfaßt.«
»Das riskieren wir«, sagte ein Wachtposten, und ich hörte hinter mir ein gemessenes Lachen. Sieur de Périgord im Auftrag von Madame Louise. Auf einmal blickte die Frau bänglich.
»Das wird euch noch leid tun«, sagte sie. Doch ein Wachtposten legte die Hand auf die Bettpfanne.
»Eiskalt«, sagte er und klappte den Deckel auf.
Und dann geschah etwas sehr Seltsames, denn anders weiß ich es nicht zu beschreiben. Man hörte ein Flattern, so als ob aus der Pfanne eine Taube oder eine Ente befreit worden wäre, und eine Kinderstimme rief: »Ätsch!« und zwitscherte dann wie ein Vogel, nur viel melodischer. Die Wachen schreckten vor der Pfanne zurück, die mit einem Knall zu Boden fiel, während der Deckel klappernd davonkollerte. Die arme Frau, die sie gebracht hatte, sank ohnmächtig zu Boden. »Oh, bin ich nicht ein hübsches, hübsches Kindelein!« sang das Stimmchen, und wir blickten hoch und sahen ein kleines geflügeltes Wesen mit dunklen Locken und funkelnden braunen Augen wie eine übergroße Motte oder ein sehr großer Spatz unter der hohen, gewölbten Decke herumflattern, als wäre es versehentlich in einen Schornstein geraten. In diesem Augenblick schoß mir etwas durch den Kopf. Dahinter steckt Hadriel, dachte ich. Das ist seine Art von Humor. Du liebe Zeit, wie hat er die Verschwörung nur entdeckt? Sie muß das am schlechtesten gehütete Geheimnis von ganz Paris gewesen sein.
Einer der Soldaten bekreuzigte sich. Sieur de Périgord, ein sehr würdevoller Edelmann, rief: »Bleibt, wer oder was auch immer Ihr seid. Gebt Euch zu erkennen.« Ich konnte jemanden ein Gebet murmeln hören. Inzwischen steckte auch eine Dame den Kopf aus dem Gemach der Weißen Königin.
»Oh, mein Gott, eine Verschwörung!« rief sie. »Was um Himmels willen ist das?« Hinter ihr stand eine rothaarige Gestalt in einem zerknitterten weißen Gewand und wollte auch sehen.
»Die Königin ist aufgestanden. Zurück, zurück ins Bett, nur keinen Aufstand jetzt!« rief jemand, und die Frau an der Tür drehte sich um und warf dem Mädchen in Weiß hinter sich einen bösen Blick zu.
»Habt Ihr Euch das Ding bringen lassen?« fragte die alte Dame, die die Nacht über ihre Aufpasserin war. Über uns tanzte das kleine, geflügelte Wesen fröhlich in der Luft herum. Ich bemerkte, daß die stämmige Frau, die die Bettpfanne gebracht hatte, wieder zu sich kam. In dem neuerlichen Durcheinander gelang es ihr, den Wachen zu entkommen und zu verschwinden.
»Ich hätte nach einer Wildente in der Bettpfanne geschickt? Wohl kaum«, hörte ich die Weiße Königin naserümpfend sagen, ehe die Tür zugeschlagen wurde.
»Was für ein himmlischer, himmlischer Streich!« sang das kleine Ding in der Luft. »Richtet dem Steuermann aus, er soll das nächste Mal genauer hinsehen, wenn er Kinder kauft! Er wird niemals König! Hadriel hat es gesagt!« Ein Aufblitzen schillernder Flügel, und das Geschöpf verschwand einfach durch den massiven Stein der Decke.
»Was
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