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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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halben Wams, das mit Schneiderkreide markiert war. »Ich war gerade beim Schneider, wo ich mir einen neuen Anzug für die Krönung schneidern lasse. Schickt mich sofort zurück, und ich werde Euch nicht bestrafen.«
    »Ihr könnt mich ohnedies nicht mehr bestrafen. So steht es jedenfalls in diesem Buch.«
    Erschrocken bemerkte Belphagor das Zauberbuch in Nicholas´ Hand. »Werft das Ding aus dem Kreis. Hat man Euch in der Schule nicht beigebracht, daß man nichts ausprobieren soll, was man nicht gelernt hat? Ihr bringt Euch in arge Bedrängnis.«
    »Soviel ich sehe, bin ich schon in arger Bedrängnis. Ihr habt gesagt, Ihr braucht jemanden, der Euch Kultur beibringt, aber bislang habe ich Euch nur Unzüchtiges und Machiavelli vorgelesen, und nun ist meine Seele in Gefahr.«
    »Werft das Buch weg, lieber Nicholas, und ich lade Euch zum Essen ein, und wir vergessen das Ganze, ja? Die Rezepte aus dem Buch klappen ohnedies nicht.«
    »Sie klappen recht gut, denn immerhin seid Ihr hier. Ich weiß nur nicht, ob ich das, was ich da sehe, als ›schön gestaltet« bezeichnen würde. Puh! Diese Nase. Die großen Füße, die Ihr habt. Schön sind die wirklich nicht.«
    »Nicholas, Nicholas, denkt einen Augenblick nach. Haltet zu mir, und ich schenke Euch alle Reichtümer dieser Erde. Ihr müßt nur das Buch wegwerfen, aus dem Kreis treten, und dann besiegeln wir alles mit einem Händedruck. Einverstanden?«
    »Ich soll aus dem Kreis treten? Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, das nicht zu tun, hier, auf Seite zweiunddreißig.«
    »Verdammter Bücherwurm! Wer hat Euch gesagt, daß Ihr Seite zweiunddreißig lesen sollt?«
    »Ich lese immer erst alles durch, ehe ich etwas Neues ausprobiere. Ich habe übrigens auch den ganzen Machiavelli gelesen, selbst wenn Ihr dazu nicht lange genug stillsitzen konntet. Er sagt, wenn Menschen böse sind, braucht man ihnen nicht die Treue zu halten. Sagt, gibt es etwas Böseres als einen Dämon? Ihr habt mich hinters Licht geführt. Lord Belfagoro aus Italien, daß ich nicht lache!«
    Belphagor spie schwefliges Feuer aus seinen Nasenlöchern, doch an dem Zauberkreis prallte es ab, ohne Schaden anzurichten. »Du kriechender, hirnrissiger Dummkopf! Du rückgratloser, madenzerfressener Haufen Würmerfraß. Stirb, du elender menschlicher Wicht, stirb!«
    »Leeres Gerede, Belphagor. Ich habe das Zauberbuch und dazu meine Seele. Und jetzt in die kleine Kiste da.«
    »Niemals.«
    »›O wertloser Geist, der du böse und ungehorsam bist, bei Adonais Namen, Zebaoth, Adonai, Amioram, Adonai, der König der Könige befiehlt dir…‹« Und Nicholas las. Auch wenn ihm die Knie zitterten, seine Stimme klang fest. Er dachte an seine alte Mutter und an all die Opfer, die sie für sein Studium gebracht hatte. Ich kann nicht Prediger werden, wenn ich diesen Dämon nicht in den Kasten zwinge, dachte er und las den Rest des Dämonenzaubers laut und deutlich. »Klappe den Deckel hinter dir zu«, sagte er, als Belphagor zu einer Säule aus grünlichem, stinkendem Rauch zusammensank und sich in den Kasten verzog. Vorsichtig berührte Nicholas den Kasten mit einem Stab, den er nach den Anweisungen des Zauberbuchs angefertigt hatte. »›Sei verschlossen, sei verschlossen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, auf daß kein Sterblicher dich öffnen kann bis zum furchtbaren Tage des Jüngsten Gerichts, bei dem Meer aus Glas, das vor dem Antlitz der Göttlichen Majestät ist, bei den vier Tieren vor dem Thron, die vorn und hinten Augen haben, bei dem Feuer, das den Thron umgibt, bei den heiligen Engeln im Himmel und dem Allwissenden Gott…‹« Der kleine Kasten wackelte und zitterte, so wütend war der gefangene Dämon. Behutsam trat Nicholas aus dem Kreis.
    »Gut gemacht, Nicholas«, sagte Hadriel fröhlich. Der Engel manifestierte sich mit übergeschlagenen Beinen auf Nicholas' ungemachtem Bett, und auf einmal fand Nicholas, er sollte sich wieder um seinen Haushalt kümmern, obschon er wirklich in den letzten Tagen mit dem Einkauf der ganzen übelriechenden Kräuter und mit dem Lesen viel zu tun gehabt hatte. »Du weißt, daß nicht einmal wir Engel das hätten schaffen können. Mensch-Sein hat einige Vorteile.«
    »Na hoffentlich«, sagte Nicholas etwas verstimmt. »Ich meine, wo wir doch unsterbliche Seelen und das alles haben.«
    »Die, mit Verlaub, erst erlöst werden mußten«, sagte Hadriel.
    »Mit einem Engel streite ich nicht«, brummte Nicholas.
    »Aber versuchen würdest du es, nicht wahr? Diese Menschen!«

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