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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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töricht. Seht Euch doch an. Kein Ehemann, keine Familie. Warum macht Ihr mehrere Skizzen?«
    »Ich habe daheim eine alte Zeichnung, für die er Modell gesessen hat. Wenn ich seinen Kopf ein wenig drehe, füllt er den Rahmen besser aus.«
    Auf der anderen Seite des Raums zeichnete ein Schüler ein perspektivisches Stilleben mit Musikinstrumenten auf ein Raster und benutzte dazu eine Zeichenmaschine. Das war ein merkwürdiger Apparat mit Spiegeln und einem Drahtgestell, durch die man den kopierten Gegenstand sehen konnte.
    »Ihr wollt meinen Kopf drehen?«
    »Er wird schon noch ähnlich bleiben.« Ich hörte ihn hinter mir verärgert knurren.
    »Wie ich höre, braucht Ihr nur eine Sitzung, wenn Ihr nach dem lebenden Modell zeichnet.«
    »Nur das Gesicht und eine Skizze des Kleides. Inkarnat, Geschmeide und Spitzen male ich dann in meinem Atelier – o nein, nichts so Prächtiges wie das hier, lediglich ein Zimmer.«
    »Eine Frau mit einem Atelier. Demnächst wachsen den Schweinen noch Flügel.«
    Ich schwieg lange.
    »Seid Ihr gekränkt? Ihr solltet Euch geehrt fühlen. Jean Clouet sagt nicht oft, daß jemand ein gutes Auge hat.«
    »Dann fühle ich mich geehrt. Gemessen an diesen Porträtzeichnungen habt auch Ihr ein sehr genaues Auge.«
    »Die hier? Nicht mein Auge, meine Hand ist genau. Die Großen dieser Welt können nie lange stillsitzen. Ich verwende einen italienischen Zeichenapparat, mit dem gelingt die Meisterzeichnung schneller.« Er deutete auf einen großen Eichenkasten in der Ecke, der an einem Ende eine Klappe aus schwerem schwarzem Tuch hatte. O je, dachte ich. Zeichenmaschinen. Davon wollte mein Vater nichts wissen, und ich habe auch nichts für sie übrig.
    »Ich glaube nicht, daß man bei Miniaturen mit einem Apparat arbeiten kann«, sagte ich milde.
    »Ha! Ich darf also meine Arbeit behalten. Diese Frauen!« Maître Clouet lachte, und ich wurde furchtbar rot, denn er hatte sehr wohl gemerkt, was ich dachte.
    Danach durfte ich zum Essen bleiben, bei dem es wegen der vielen Lehrjungen sehr rauhbeinig zuging. Nan und ich setzten uns also ans Tischende, und ich bekam mehrere Heiratsanträge von seinen Gesellen, die sagten, eine Frau, die Drapierungen und Geschmeide malen könne, sei eine nützliche Ehefrau, und ich sagte, mit dieser Sorte Mann wäre ich schon einmal verheiratet gewesen und da ich jetzt Gesichter malte, könne mir die Ehe gestohlen bleiben, denn zurückstecken würde ich nie und nimmer. Da schütteten sich alle aus vor Lachen und schenkten Wein nach, und ich sagte, die Ehe sei kein Stand, in den man leichtfertig eintreten solle, nur um dann Drapierungen zu malen, und da lachten sie noch schallender. Und ich wußte, sie neckten mich nur, und die Heiratsanträge waren ganz und gar nicht ernst gemeint. Darauf fragte Maître Clouet, ob ich mich schon an großformatige Gemälde gewagt hätte, und ich sagte ja, aber nur religiöse Bilder für Mönche, gleich nach dem Tode meines Mannes, so daß ich noch behaupten konnte, sie stammten von ihm, doch seitdem nicht mehr. Dann fragte er, um welche Sujets es sich denn gehandelt habe, doch als ich Adam und Eva sagte, da lachten sie sich halb tot, und einer der Lehrjungen bekam Wein in die Nase.
    Man sieht also, es verlief sehr fröhlich, und als Nan und ich heimgingen, wurde ich sehr traurig, weil es für Frauen nie ein großes Atelier mit Gelächter und gemeinsamen Mahlzeiten ühd viel Kunst, und das alles am gleichen Fleck, geben würde, denn meine Arbeit macht zuweilen sehr einsam. Und ich kam mir noch einsamer vor, als ich im Zwielicht des frühen Winterabends die Treppe hochstapfte. Als ich die Tür erreichte, da wollte die nicht aufgehen, obschon der Riegel geöffnet war und ich tüchtig schob.
    »Nan, geh doch bitte nach unten und hol die Vermieterin oder jemand anders, der mir hilft. Die Tür läßt sich nicht öffnen.«
    »Ach, immer etwas Neues«, sagte Nan gereizt und stieg die Treppe wieder hinunter. Inzwischen schob und drückte ich, und allmählich bewegte sich die Tür ein wenig – auf der anderen Seite klemmte wohl etwas. Auf dem Fußboden war etwas Dunkles und Glitschiges, das unter der Tür hervorrann. Dann kam es mir jählings so vor, als ob das, was die Tür blockierte, sich bewegte, denn als ich schob, ging sie auf, und da sah ich in dem dämmrigen Lichtschein, der noch durchs Fenster kam, eine große, dunkle Lache auf dem Fußboden und dazu eine Hand, fast so weiß wie meine Gipshände, doch die hier ragte aus einem Ärmel, der

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