Die Suche nach dem Regenbogen
Jahrhunderten.«
»Das Wahre Blut. Verrat. Sie muß beseitigt werden.«
Bourbons unnatürlich ruhige Stimme übertönte das Stimmengewirr. »Aber bei Hofe ist sie von Freunden umgeben. Dort bleibt ein Mord nicht geheim.«
»Monsieur de Bourbon, ich habe die Kreatur bis zu ihrer Höhle verfolgt. Sie hat ein Atelier, in dem sie allein ist. Ihre Vermieterin wurde bereits bestochen, sie hat es sehr vorsichtig durchsucht, hat aber nichts gefunden.«
»Doch gewiß steckt sie nicht allein dahinter. Welcher Mann benutzt diese gemeine und durchtriebene Frau als Spion?« Belliers Stimme klang entsetzt.
»Es gibt nur ein Hirn in England, das so teuflisch, so meisterhaft ist. Erzbischof Wolsey«, verkündete Crouch.
»Der Erzbischof. Das Bündnis. Ja, es paßt alles. Der Kirchenfürst unterstützt den Fürsten von Valois. Er will verhindern, daß die Merowinger zurückkehren.«
»Und das Geheimnis wahren. Er hat das Geheimnis entdeckt und weiß, daß es die Kirche vernichten würde.«
»Dann können wir auf sein Stillschweigen rechnen. Er wird die Kirche schützen, koste es, was es wolle. Unser Geheimnis ist bei ihm gut aufgehoben.«
»Aber wie gut aufgehoben bei ihr?«
»Gut aufgehoben bei einer Frau? Unmöglich. Solange es das Manuskript gibt, droht uns Entdeckung.«
»Dann ist es abgemacht«, sagte Bourbon. »Wir müssen die Frau zwingen, uns das Versteck des Manuskripts zu verraten, und sie dann zum Schweigen bringen.«
»Abgemacht«, sagte Crouch.
»Das dürfte nicht schwierig sein«, sagte der Steuermann.
König Franz I. saß in seinem Audienzzimmer, umgeben von seinen alten Freunden, seinen Höflingen, die gerade alle zu neuen Ehren kamen, weil sie ihm nahestanden. Bonnivet würde Amiral de France werden, Bourbon Connétable de France, seine Schwester erhielt eine Grafschaft, ihr Mann wurde Statthalter der Normandie, und seine Mutter bekam den Titel Herzogin sowie zwei Grafschaften und wurde die geheime Macht hinter dem Thron. Den ganzen Tag über hatte Franz Gesandtschaften von den Herrschern Europas empfangen, die ihm zur Thronbesteigung gratulierten, um seine Gunst buhlten und Bündnisse erneuern wollten. Franz jedoch war mit anderen Gedanken beschäftigt, Gedanken an eine rothaarige Frau, die in einem Zimmer des Hôtel de Cluny eingesperrt war. Sie hatte ihn abgewiesen. Sie hatte über seine Glut gespottet. Jetzt war er König und konnte mit ihr verfahren, wie ihm beliebte. Könige konnten alles tun, was ihnen gefiel, oder? Zunächst hatte er daran gedacht, seine häßliche Frau ins Kloster zu stecken und statt dessen sie zu heiraten. Doch seine Mutter hatte davon erfahren und ihn gemaßregelt, daß ihm die Ohren klangen. Ohne Frau keine Bretagne. Sei kein Narr.
Er dachte daran, wie unhöflich die Weiße Königin geworden war, auch wenn die Worte selbst noch so vorsichtig gewählt waren, und wie wenig sie seine gutgebauten Beine zu würdigen wußte, und sagte sich, sie ist es nicht wert, die Schlampe. Sie ist kein halbes Königreich wert. Dann sinnierte er darüber nach, ob es vergnüglich sein würde, sie zu seiner Mätresse zu machen und sie einem anderen europäischen Fürsten anzudrehen, wenn er sie satt hätte. Aber da kam Mutter schon wieder mit einer Schauermär über Verschwörer an, die einen falschen Erben unterschieben und ihren göttlichen Cäsar entthronen wollten. Mutter war starr vor Entrüstung. Dieses Mal hast du noch Glück gehabt, hatte sie gesagt, weil die Schwachköpfe nicht bis neun zählen konnten. Das nächste Mal sind sie vielleicht schlauer. Mit falschen Erben kannte sich Franz aus. Der alte Ludwig XII. hatte ihm ein paar fremdländische vermacht, die ihm mit ihren französischen Pensionen die Haare vom Kopf fraßen, aber das war Auslandspolitik und eine Rückversicherung. Zwei waren Engländer, und Franz fand, ihr Anspruch war genauso groß wie der von Heinrichs Vater, der vor diesem in England geherrscht hatte. Nein, er würde keinen Frieden haben, bis er sich die Weiße Königin vom Hals geschafft hatte. Und vorzugsweise so, daß keiner ihm je wieder mit ihr kommen konnte.
»Der Gesandte des englischen Königs, Herzog von Suffolk!« Franz blickte auf und sah diesen verfluchten bulligen Kerl durch den Saal stolzieren. Und wenn du dich in noch soviel Seide und Pelze kleidest, dachte er, du bist und bleibst ein Ochse.
»Euer Gnaden«, sagte Suffolk, eine Anrede, die Franz als Herzog zugestanden hatte. Beleidigend wie eh und je, dachte er. Die Engländer bilden sich wohl noch
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